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An das Landgericht Lübeck

Datum: 29.1.1997

2a KLs 29/96

In der Strafsache
gegen
Herrn Safwan Eid

wird namens der Verteidigung zur Vernehmung des Zeugen Obenaus am 22.1.1997 gem. § 257 StPO wie folgt Stellung genommen:

Mit der Vernehmung des Zeugen Obenaus ist bewiesen:

1. Vorbau:
Die Spuren- und Beweissicherung im Vorbau durch Beamte von K6 ist von vorwerfbarem Unterlassen geprägt.

Es ist unterlassen worden, das Innere des Vorbaus fotografisch zu dokumentieren, ehe Veränderungen vorgenommen wurden. Die verkohlten Reste eines mutmaßlichen Holzgestells, die auf einem Foto des Notarztes erkennbar sind, hat der, Zeuge Obenaus nicht gesehen. Fotografisch dokumentiert wurden sie von K6 ebenso wenig wie der übrige Innenbereich des Vorbaus. Herr Obenaus hat zwar behauptet, es sei überprüft worden, wie weit das Holz des Holzpfeilers im Vorbau nach innen hin brandbelastet gewesen sei, eine Dokumentation dieser “Überprüfung” sucht man allerdings vergebens.

Es ist unterlassen worden, den Fußboden auf Durchbrennungen hin zu überprüfen, geschweige denn sind die vorhandenen Durchbrennungen fotografisch gesichert worden. Zwar hat Herr Obenaus nach einigem Befragen nicht ausgeschlossen, daß es unmittelbar links und rechts hinter der Eingangstür (von außen gesehen) im Fußboden Löcher gegeben habe. Auffällig, gleichwohl wenig überzeugend war jedoch sein Bemühen, diese Löcher trotz der erkennbaren Verkohlung an den Rändern nicht als Durchbrennungen einzuordnen. Er meinte gar, was mit dem Ergebnis der Ortsbesichtigung kaum in Einklang zu bringen ist, ein Loch sei durch “Durchtreten” vergrößert worden. Es wurde, so der Zeuge, dann ein Brett über ein Loch gelegt, einer genaueren Spurensuche hat man dieses Loch wie auch die anderen im Fußboden des Vorbaus aber nicht für wert befunden. Aus der Aussage des Zeugen Obenaus kann zudem nicht entnommen werden, daß mit dem PID die Holzkonstruktion unter dem Fußboden einer Untersuchung unterzogen worden wäre.

Es ist - folgt man der Aussage des Zeugen Obenaus - unterlassen worden, die Drahtglasfüllung zu sichern. Folgt man der Aussage des Zeugen Bergeest, ist die zusammengeschmolzene Drahtglasfüllung zwar gesichert, dann aber entsorgt worden. Nach allen Aussagen es ist zweifelsfrei unterlassen worden, sie kriminaltechnisch untersuchen zu lassen. Für den Zeugen Obenaus war das “nur ein Klumpen".

Es ist unterlassen worden, den zusammengeschmolzenen Leichtmetall- Klumpen zu sichern oder gar untersuchen zu lassen. Anstelle einer Sicherung und Untersuchung dieser Spur hat man sich mit der Vermutung zufrieden gegeben, es dürfte sich um den Hausbriefkasten handeln, obgleich eine Zündvorichtung vielleicht ebensogut möglich oder wahrscheinlich gewesen wäre. Für den Zeugen Obenaus war auch diese Spur “nur ein Klumpen”.

Es ist unterlassen worden, vorhandene Glasscherben so zu sichern, daß der Versuch einer Zuordnung gemacht werden könnte. Soweit sich Glasscherben auf den Fensterbänken der Fenster im Vorbau befanden, hat Herr Obenaus eingeräumt, sie jedenfalls gesehen zu haben. Eine Untersuchung auf Spuren von Brandbeschleuniger ist nach Angaben des Zeugen Obenaus nicht vorgenommen worden.

Es ist unterlassen worden, die Fundstelle der Leiche von Sylvio Amoussou einer genaueren Überprüfung zu unterziehen. Die Fundstelle ist nicht fotografisch dokumentiert worden, ob der Fußbodenbelag angeschmort war, weiß Herr Obenaus nicht. Er will sich die Leiche zwar angesehen, aber einen Draht nicht wahrgenommen haben, obgleich dieser ausweislich des Videos deutlich zu sehen ist.

Es ist auch unterlassen worden, im Innenbereich des Vorbaus Temperaturmessungen durchzuführen.

Schließlich ist es unterlassen worden, Teile der Steintreppe, insbesondere die vom Zeugen Obenaus beschriebenen, abbröselnden Teile zu sichern und/oder einer kriminaltechnischen Untersuchung zuzuführen.

Die Tätigkeit von K6, bezogen auf den Zustand des Vorbaus, erschöpft sich, wenn man von Außenaufnahmen und dem behaupteten Sieben des Brandschutts absieht, darin, den Zustand der Hauseingangstür während des Brandes durch Sicherung der diesbezüglichen Spuren rekonstruiert zu haben. Alles übrige, was von der Spurensicherung bezogen auf den Vorbau hätte erwartet werden können, ist nicht geschehen. Gründe für dieses vorwerfbare Unterlassen hat weder Herr Obenaus noch einer der anderen Zeugen aus der Spurensicherung benennen können. Man könnte das Unterlassen von Spurensuche und Spurensicherung im Vorbau mit dem maßvollen Vorwurf der Schlampigkeit sein Bewenden haben lassen, trüge es nicht durchaus systematische Zuge, die an Gestalt gewinnen, wenn hinzugenommen wird, wie sich die Spurensicherung im 1. OG betätigt hat.

2. 1. Stock:
Herr Obenaus hat bekundet, er habe Videoaufnahmen und Fotos erstellt, teilweise auch vom Flur des 1. OG. An Untersuchungen im 1. OG sei er nicht beteiligt gewesen, er habe keine Teile aus dem Fußboden herausgetrennt, nur solche dort liegen sehen. Er könne erinnern, daß Teile aus dem Randbereich gesichert worden seien, seines Erachtens unter Beteiligung der Zeugen Koop, Mai und später Henning.

Der Zeuge Rohner hatte bekundet, er habe Fotos im 1. Stock erstellt, im übrigen habe er bis zu seiner Erkrankung gesiebt. Der Zeuge Bergeest hat erklärt, er sei an den Spurensicherungsarbeiten im 1. OG nicht beteiligt gewesen.

Der Zeuge Koop hat erklärt: er habe sich im wesentlichen mit Organisatorischem beschäftigt, er habe aber im Flur des 1. OG das Fußbodenstück herausgenommen, wie es auf Bild Nr. 213 dokumentiert sei.

Der Zeuge Henning hat bekundet, er sei anwesend gewesen, als Dr. Herdejürgen Arbeiten durchgeführt habe. Er habe die Türschwelle untersucht und später die Gefällemessung durchgeführt. Beim Ausräumen von Gegenständen (nicht Spuren) sei er behilflich gewesen, zudem für die Untersuchung der Fenster im EG zuständig gewesen. Im übrigen habe er keine Spurensicherung im 1 CC (Flur) durchgeführt.

Frau Mai hat erklärt, sie sei in erster Linie Schriftführerin gewesen, sie sei bei der Sicherung von Proben aus der Türschwelle anwesend gewesen. Zum Originalzustand des Fußbodens im Flur könne sie nichts sagen.

Die Spuren aus dem Bereich der Türschwelle tragen die Ordnungsnummer 15 (Spusi, Bl. 14). Aus dem Flur, 1. OG, existieren aber weiter die Spuren mit den Nummern 16, 20, 22, 24, 25, 26 und 27. Die Spur 22 ist ausweislich KTU, Bl. 52 identisch mit He 1, He 2, He 2a, He 3, die von Dr. Herdejürgen gesichert sein dürften. Es bleiben die Spuren 16, 20, 24, 25, 26 und 27. Folgt man Herrn Obenaus und den anderen, zwischenzeitlich vernommenen Zeugen von KG, hat niemand von ihnen diese Spuren gesichert. Eine merkwürdige Konstellation, so als wolle heute niemand mehr von K6 für den Flur des 1. OG zuständig gewesen sein.

Die Konstellation wird merkwürdiger, wenn man sich vergegenwärtigt, was fehlt:

Der Zeuge Obenaus hat bekundet, vom Randbereich der Fußbodenkonstruktion seien Platten gesichert, mit zur Dienststelle genommen und als Spuren aufbereitet worden, dann allerdings vernichtet worden. ob Dr. Herdejürgen, wie dem Zeugen Obenaus nach seinen Angaben berichtet worden ist, zu dieser Beweismittelvernichtung seine Zustimmung gegeben hat, wird später zu klären sein. Nach den Angaben des Zeugen Obenaus soll der Leiter von K6, der Zeuge Koop, die Spurenvernichtung entschieden haben. Gründe für die Vernichtung konnte der Zeuge Obenaus nicht nennen.

Die Spanplatte, die charakteristische Spuren tragen soll, sucht man im Spurensicherungsbericht ohnehin vergeblich. Das Asservat He 1 ist nicht die Spanplatte und auch nicht Teil der Spanplatte, sondern nach der Beschreibung (KTU, Bl. 52) Teil der Unterlattung der Spanplattenlage.

Auch die Bodenplatte, die angeblich die bekannte Toilettenrolle vor dem Verbrennen geschützt haben soll und die nach der Aussage des Zeugen Obenaus unter Berücksichtigung der etwas kecken Ausführungen von StA Bieler am 29.8.96 eine wundersame Metamorphose von Eternit in Estrichbeton durchgemacht hat, ist mit dem Bemühen der Spurensicherung, Vorbau und 1. OG “besenrein” zu machen, entschwunden.

Ganz abgesehen davon, daß der Spurensicherungsbericht aus vielerlei Gründen nicht hält, was seine Bezeichnung verspricht, abgesehen davon, daß auch mit Herrn Obenaus nicht aufgeklärt werden konnte, wer wann wo welche Spuren gesichert hat, hat uns Herr Obenaus zur Spurensicherung und zum weiteren Verbleib gesicherter Spuren eine sybillinische Auskunft erteilt: Als er zu den Asservaten in der im Video gezeigten Kiste von Dr. Herdejürgen und deren Verbleib gefragt wurde, hat Herr Obenaus u.a. erklärt: “Alle Teile, bis auf die, die wir vernichtet haben, sind der Soko übergeben worden.”

Was, so fragt sich der erschrockene Verfahrensbeteiligte, ist noch vernichtet worden? Von den Originalvideoaufnahmen, die Herr Henning gelöscht haben soll, hat uns Herr Obenaus berichtet. Er war danach gefragt worden. In Erinnerung an die Bekundung des Zeugen Koop, es seien viele Gegenstände, die ihnen unerklärlich gewesen seien, sichergestellt worden, obgleich man solch ‹Unerklärliches” im Spurensicherungsbericht vergeblich sucht, tut sich allerdings ein Abgrund auf.

3.
Der Zeuge Obenaus hat bekundet, Zeugenaussagen hätten ihm nicht vorgelegen, er habe sich darum auch nicht bemüht. Von der taktischen Ermittlung sei ihnen allerdings am 2. oder 3. Tag der Tatortarbeit (also am 19. 1 oder 20.1.) berichtet worden, daß eine Aussage vorliege bezüglich des Angeklagten, es sei eine Flüssigkeit ausgegossen werden. Der Zeuge meinte zweifelsfrei die Aussage von Leonhardt. Eine diesbezügliche ermittlungstaktische Vorgabe sucht man im Spurensicherungsbericht, der immerhin vom 8.2.l996 datiert, vergeblich. Darin findet sich noch die ermittlungstaktische Vorgabe von drei vorläufig Festgenommenen Personen, die allerdings nur bis zum Morgen des 19.1.1996 Bestand hatte.

Am 19.1.1996, so hat Herr Obenaus bekundet, habe eine erste Begehung stattgefunden, bis dahin hatte man nur im Außenbereich Spuren gesichert. Ruft man sich die erste Aussage von Leonhardt ins Gedächtnis, wird nachvollziehbar, warum der Zeuge Henning, wenn auch im Sinne der StA erfolglos, 8 Spuren aus dem Bereich der Türschwellen (Ordnungsnr. 15) gesichert hat. Diese Spurensicherung hatte nichts mit einem langsamen, systematischen Vorarbeiten vom Eingang des Holzvorbaus bis in den 1. oder gar 2. Stock zu tun, hier ist vielmehr der erfolglose Versuch unternommen worden, die Geschichte von Herrn Leonhardt kriminaltechnisch abzustützen.

Herr Obenaus hat von der ersten Begehung berichtet, der Sachverständige habe festgestellt, daß es ein Durchbrand war. Wörtlich sei gesagt worden, hier muß was passiert sein. Auf welche Weise mit welchen ermittlungstaktischen Vorgaben sich diese Bemerkung, sollte sie gefallen sein, zur These von Dr. Herdejürgen über die Entstehung des Brandes verdichtet hat, wird noch aufzuklären sein.

Fest steht aber nach der Aussage von Herrn Obenaus zweierlei:

(RAin Heinecke) (RAin Klawitter)