nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Fri Sep  4 00:27:26 1998
 

An das
Landgericht
Lübeck

2 a Kls 29/96

14.10.96

In der Strafsache
g e g e n
Safwan E i d

erklärt die Verteidigung gem. § 257 StPO:

Die bisherige Beweisaufnahme läßt jedenfalls die These zu, daß das Flüchtlingsheim in der Hafenstraße 52 durch Dritte unter Verwenden von Brandbeschleunigern auf -möglicherweise unter anderem- den hölzernen Vorbau erfolgte und daß diese Brandbeschleuniger eventuell sogar innen und außen aufgebracht wurden. Wäre der Sachverhalt der Staatsanwaltschaft und dem LKA genehm, würde sicher von jener Seite bedenkenlos von einem “in signifikanter Weise beschaffenen Brandbild” gesprochen, das die Brandstiftung “auch ohne Nachweis von Spuren einer brennbaren Flüssigkeit” beweise (so die Argumentation für den Brandausbruchsort im 1. Stock, Bd, KTU, Bl. 185 ff.)

Die Zeugen Marwan Eid ( HV vom 16.09.1996) und Jinan Eid (HV vom 18.09.1996), die in der Nacht vom 17. auf den 18.Januar 1996 in dem Zimmer im 1. OG schräg über dem hölzernen Vorbau schliefen, haben übereinstimmend erklärt, von einem Klirren und Explosionsgeräusch wach geworden, unverzüglich aufgesprungen zu sein und Feuer durch die Seitenfenster des hölzernen Vorbaus gesehen zu haben.

Der Zeuge Ronny Bittner erklärte in der HV am 30.09.1996, er sei in der Zeit gegen 3.30 Uhr von seinem Mitschüler Maik Preuße geweckt worden. Beide seien die ersten am Ort gewesen. Der BGS-Bus sei erst langsam vorgefahren, danach sei die Feuerwehr gekommen. Der Zeuge berichtete, nur der Vorbau habe gebrannt, die Flammmen seien ganz weit hoch geschlagen. Auch die Außenhaut des Vorbaus habe gebrannt. Aus den anderen Fenstern seien noch keine Flammen geschlagen.

Feuerwehrbeamte des etliche Minuten danach eintreffenden Löschfahrzeugs 16 von der Feuerwache 2 mit der Besatzung Kläber, Lasecki, Steffen und Theml sowie der mit ihnen eintreffende Einsatzleitdienst (Schiemann, Lafin, Lammers, Lieberum) sehen diese hohen Flammen nicht mehr, sondern beschreiben einen Brand im Vorbau. Der Zeuge Steffen, als erster am Einsatzort und als Angriffstrupp in den hölzernen Vorbau und den 1. Stock vordringend, beschrieb am letzten Verhandlungstag beide Bereiche als überall flammenbesetzt. Selbst die Steinwand im Treppenaufgang und die Steintreppe selbst hätten gebrannt. Die Wand sei extrem heiß gewesen und müsse sich schon länger aufgeheizt haben.

Diese Beschreibungen lassen den Schluß zu, daß es nach dem Einsatz von Brandbeschleunigern zunächst eine heftige und heiße Brandphase gegeben hat und -nach Aufbrauchen des flüssigen oder festen Brandlegungsmittels- “natürlich” weitergebrannt hat, nämlich die umfangreich vorhandenen brennbaren Stoffe des hölzernen Vorbaus, des Treppenaufgangs und des Flurplateaus im 1. Stock erfaßte. Während der Winterwitterung war das Holz des Vorbaus kalt und vermutlich auch verhältnismäßig feucht. Ob in dieser Situation eine extreme heiße Qualmentwicklung in einer zweiten Brandphase eintreten kann, müßte von den Sachverständigen geprüft werden.

Die Staatsanwaltschaft und das LKA haben -obwohl sie sehr schnell über diese Aussagen verfügte (pol. Aussage Bittner: 26.01.1996; pol. Aussage Steffen: 19.01.1996)- nichts getan, um auch nur durch Nehmen entsprechender Proben von der Außenwand des Vorbaus und der zum 1. OG führenden Steintreppe einen solchen sich aufdrängenden Brandverlauf prüfbar zu machen. Am 19.01.1996 war bereits entschieden, daß die aufgrund der Gesamtumstände dringend tatverdächtigen Grevesmühlener Jugendlichen nicht weiter verfolgt werden sollten. Alle Ermittlungshandlungen, die auch nur zur weiteren Prüfung eines Brandanschlages hätten führen können, wurden unterlassen. Nachdem Safwan Eid am 19.01.1996 aufgrund eines angeblichen “Wir warns” und einer mit den weiteren Behauptungen des Zeugen Leonhardt nicht zusammenpassenden Brandausbruchsversion sowie einem erfundenen Täterwissen festgenommen und verhaftet worden war, gab es keinerlei Ermittlungen mehr, die möglicherweise entlastend hätten sein können.

Nach der bisherigen Beweisaufnahme, insbesondere den Aussagen der Zeugen Steffen (HV vom 09.10.1996) und Gouin (HV vom 07.10.1996) muß davon ausgegangen werden, daß beim Eintreffen der ersten Feuerwehrkräfte die Tür im hölzernen Vorbau bereits weggeschmort war -oder aber diese sperrangelweit auf gestanden haben müßte. Das eine wäre wieder Beweisanzeichen für einen im Vorbau bereits lange vorhandenen heißen Brand, das andere Hinweis darauf, daß ein jeder in dieser Nacht in die Hafenstraße 52 eindringen konnte.

Die Theorie der Staatsanwaltschaft und des LKA, der Brand im hölzernen Vorbau lasse sich “widerspruchsfrei” als “Brandfolgeerscheinung” der Brandlegung im 1.Stock interpretieren, der Vorbau sei durch herabgefallene Teile der Holztreppe in Brand gesetzt worden, war noch nie recht nachvollziehbar und ist nach der Aussage des Zeugen Steffen endgültig zusammengebrochen. Der Zeuge Steffen hat in seiner Vernehmung vor dem Gericht erklärt, er habe während er die Treppe zum 1. Stock hinaufging, Flammen über sich gehabt und habe über sich gelöscht. Das kann nur bedeuten, daß die Holztreppe im Treppenhaus noch an ihrem Platz war.

Nach dem -für Safwan Eid zu- späten Eingeständnis einer nicht mehr rekonstruierbaren Brandausbruchszeit war dies die letzte Stütze der Anklage. Nach dieser -überhaupt nicht neuen- Beweislage hatte die Staatsanwaltschaft nicht die Aufgabe, sich immer neue Alibis für die Grevesmühlener Jugendlichen auszudenken, sondern hätte die Beweise frühzeitig sichern sollen, die zu einer schnellen Aufklärung des Falles hätte führen können.

Heinecke Klawitter
Rechtsanwältin Rechtsanwältin