Datum: | 02.09.1996, Berliner Zeitung | |
Ressort: | Politik | |
Autor: | (nicht benannt) | |
Neuer Verdacht zum Lübecker Brand Mit Schlagstöcken hat die Polizei am Sonnabend eine nichtgenehmigte Demonstration im mecklenburgischen Grevesmühlen aufgelöst und 150 Menschen vorübergehend festgenommen. Alle befanden sich am Sonntag wieder auf freiem Fuß, wie die Polizei in Schwerin mitteilte. Der Protest stand in Zusammenhang mit der Brandkatastrophe von Lübeck. Das östlich davon in Mecklenburg gelegene Grevesmühlen ist Wohnort von vier jungen Männern, die nach dem Feuer am 18.Januar festgenommen, aber einen Tag später wieder freigelassen worden waren. Gegen sie haben sich laut einem "Spiegel"-Bericht inzwischen neue Verdachtsmomente ergeben. Gegen sieben der in Gewahrsam genommenen Demonstranten wurden der Polizei zufolge Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungs- und Waffengesetz eingeleitet. Zu der Demonstration hatte das "Anti-Repressionsbüro" der PDS-Organisation Berlin-Kreuzberg aufgerufen mit der Begründung, in Grevesmühlen seien die Tatverdächtigen zu finden, ohne daß ermittelt werde. Bei dem Brand in einem Lübecker Asylbewerberheim kamen zehn Menschen ums Leben, 38 wurden zum Teil schwer verletzt. Als mutmaßlicher Brandstifter muß sich ab dem 16.September der Libanese Safwan Eid vor dem Lübecker Landgericht verantworten. Inzwischen gibt es laut Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" neue Verdachtsmomente gegen die vier jungen Männer, die der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden. Zwei der vier sollen eine mögliche Beteiligung eines der beiden anderen angedeutet haben. Einer soll ausgesagt haben, der Betreffende könne vielleicht doch "seine Finger in der Brandsache Hafenstraße" gehabt haben. Der Verdächtigte weist die Mutmaßungen zurück. Laut "Spiegel" hatte er seinerzeit Versengungen im Gesicht. Wie es hieß, gab er an, er habe sie sich beim Ofenanzünden zugezogen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte auf AP-Anfrage, die in dem Bericht genannten Verdachtsmomente seien nicht völlig neu und ließen keine neuen Ermittlungen zu. Angesichts der erwarteten Demonstration hatte die Polizei am Samstag Grevesmühlen abgeriegelt. Aus Berlin kommende Demonstranten wichen deshalb nach Lübeck aus. Nach einer Protestkundgebung in der Hansestadt bestiegen laut Schätzung der Polizei rund 200 Personen einen Zug und fuhren um 16.40 Uhr nach Grevesmühlen ab. Dort wurden sie im Bahnhof von einem Großaufgebot der Polizei von Mecklenburg-Vorpommern in Empfang genommen. Die Polizei sprach von Rempeleien, Augenzeugen berichteten von heftigem Schlagstockgebrauch. Insgesamt waren 700 Beamte im Einsatz. Die Festgenommenen - am Ort war von 120 bis 150 die Rede - wurden nach der erkennungsdienstlichen Behandlung wieder auf freien Fuß gesetzt. Im Lauf des Tages waren bereits 39 andere Personen in Gewahrsam genommen worden, darunter auch Ortsbewohner. Die Polizei stellte Schußwaffen, Baseballschläger und eine Axt sicher. | ||
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