Brandanschlag: Neuer Zeuge gibt Rätsel auf
Lübeck: Student beschuldigt den Libanesen Eid LÜBECK, 2.Juni.
Eigentlich hatte die Lübecker Staatsanwaltschaft gestern nur zu einer Pressekonferenz
geladen, um das Ende der Ermittlungen im Fall Barschel zu begründen.
Aber Fragen eines NDR-Reporters brachten einen weiteren ungelösten Mordfall der Lübecker
Ermittlungsbehörden zurück auf die Tagesordnung: Den zehnfachen Mord an Asylbewerbern in
der Lübecker Hafenstraße vom Januar 1996.Gibt es einen neuen Zeugen, der das Geständnis
des Hausbewohners Safwan Eid mitgehört hat?
Im Herbst vergangenen Jahres, soviel läßt sich rekonstruieren, soll ein Medizinstudent
einem Lübekker Notarzt gegenüber behauptet haben, er habe in der Brandnacht ebenfalls
das Geständnis Eids gehört."Wir warn s", so hatte schon ein
Rotkreuz-Sanitäter der Polizei nach dem tödlichen Feuer erzählt, habe der Libanese Eid
zu ihm gesagt und geschildert, wie und warum sie das Asylbewerber-Heim in Brand gesteckt
hätten.
Das Gespräch soll während der Fahrt in einem Bus zum Krankenhaus stattgefunden haben,
während der Sanitäter die Verletzungen Eids behandelte.
Sowohl der Sanitäter, als auch Eid hatten immer gesagt, sie seien dabei allein im
hinteren Teil des Busses gewesen.
Eid hatte beteuert, er habe "Die warn s" gesagt und berichtet, daß sein Vater
den Anschlag auf das Haus gehört hätte.
Noch keine VernehmungOberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz bestätigte gestern, daß der
mutmaßliche neue Zeuge seit Wochen bekannt, aber noch nicht vernommen worden sei.
Die Mitteilung über den Zeugen sei vom Richter Eids an die Polizei weitergeleitet worden.
Der zuständige Beamte sei allerdings bis gestern in Urlaub gewesen.
Ob der Zeuge namentlich bekannt ist, blieb unklar.Überraschend an der neuen Aussage ist
vor allem, daß bisher nie die Rede war von einem dritten Mitfahrer des medizinischen
Personals im Bus.
Vor Gericht hatten sowohl zwei Rotkreuz-Sanitäter als auch ein Polizeibeamter und der
Fahrer des Busses keinen Medizinstudenten erwähnt.
Auch im Einsatzbericht des Notarztes heißt es über die Busfahrt nur: "Begleitung
durch zwei Rettungssanitäter/-assistenten".
Der Prozeß gegen Eid war im Juni 1997 mit Freispruch mangels Beweisen zu Ende gegangen.
Im Juli wird sich der Bundesgerichtshof mit einem Revisionsantrag einer Familie
beschäftigen, die die Nichtverwendung von Abhörprotokollen rügt, die während der
U-Haft Eids aufgezeichnet worden waren.
Weiterhin anhängig ist das Ermittlungsverfahren gegen vier junge Männer aus Mecklenburg,
die kurz nach dem Brand als Tatverdächtige festgenommen worden waren.
Einer von ihnen hatte im Februar dieses Jahres bei der Staatsanwaltschaft die Tat
gestanden, sein Geständnis aber drei Tage später widerrufen.
Ein weiteres angebliches Geständnis aus diesem Kreis, das kurz vor Ostern der Presse
zugespielt wurde, war offenbar eine Fälschung.
Last modified: Wed Jun 3 02:57:01 CEST 1998 |