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Berliner Zeitung vom 13.07.1998

Datum: 13.07.1998,
Ressort: Politik
Autor: (nicht benannt)

Geständnis zum Lübecker Brandanschlag erneuert
Rechtsradikaler aus Grevesmühlen: Ärger nach Drogengeschäften / Staatsanwaltschaft sieht keinen neuen Sachverhalt

LÜBECK, 12.Juli.
Zweieinhalb Jahre nach dem Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in der Lübecker Hafenstraße hat ein junger Rechtsradikaler erneut ein Geständnis abgelegt.
Der 20jährige Maik W., der bereits kurz nach dem Brand zusammen mit drei Freunden unter Tatverdacht stand, hat jetzt gegenüber dem "Spiegel" sein Geständnis vom Februar dieses Jahres wiederholt.
Klaus-Dieter Schultz erklärte allerdings für die Lübecker Staatsanwaltschaft, er sehe "nicht einmal einen Ansatz für einen neuen Sachverhalt".
Der Brand, bei dem sieben Kinder und drei Erwachsene starben, ist bis heute nicht aufgeklärt.
Maik W., den seine Freunde "Klein Adolf" nennen dürfen, gehörte zu den vier jungen Mecklenburgern, die kurz nach der Tat mit frisch versengten Haaren festgenommen worden waren.
Seit September 1997 sitzt er wegen diverser Eigentumsdelikte in der Jugendhaftanstalt Neustrelitz ein.
Dort hatte er offenbar Mitgefangenen erzählt, daß er und die anderen drei die Brandstiftung in Lübeck begangen hätten.
Nach den Ermittlungen der Polizei war er mit diesem Bekenntnis in der Haftanstalt erpreßt worden.
Unter anderem soll er genötigt worden sein, sexuelle Handlungen zu erdulden.
Nachdem er zehn- bis zwanzigmal vergewaltigt wurde, zeigte W. einen Mitgefangenen an.
Der mutmaßliche Vergewaltiger schrieb daraufhin in einem Brief, daß Maik W. einer der Täter der Brandstiftung sei.
Anstaltsinterne Ermittlungen im Februar 1998 zwangen Maik W. dann zu einem Geständnis, das ein Lübecker Staatsanwalt und ein Kripo-Beamter am 23.Februar zu Protokoll nahmen.
Maik W. behauptete bei dieser Einlassung, daß er nur mitgefahren sei und an der Hafenstraße "Schmiere gestanden" habe.
Außerdem sei er mit Alkohol und LSD schwer berauscht gewesen.
Zwei andere aus dem Quartett, Rene B. und Dirk T., hätten "Streß mit Leuten aus der Hafenstraße" gehabt, weil sie sich im Rahmen eines Drogenkaufs betrogen gefühlt hätten.
Deshalb wollten sie sich rächen.
Sein Geständnis begründete W. mit der milderen Strafe, die er dadurch erwartete.
Nach Maik W.s Angaben wollte der Kripobeamte aus Lübeck das Geständnis aber nicht glauben.
Aus Verärgerung darüber habe er seine Aussage drei Tage später widerrufen.
Offenbar gab es danach keinen weiteren Versuch der Ermittlungsbehörden, ihn noch einmal zu vernehmen.
Erst als ihn jetzt Journalisten aufsuchten, wiederholte Maik W. seine Schilderung der Tat.
Wahrscheinlich handelt es sich bei seiner Einlassung nur um ein Teilgeständnis.
Nicht plausibel erklären konnte er die versengten Haare, die auch er nach der Tat hatte und als Schmieresteher kaum bekommen haben kann.
Er gab aber an, daß sowohl ein Autodiebstahl in dieser Nacht als auch das auffällige Verhalten der vier in Lübeck nur dazu gedient habe, möglichst viele Augenzeugen für ihren Aufenthalt an anderen Stellen der Stadt zu schaffen und damit ein Alibi für die Brandstiftung zu bekommen.
Zwei seiner mutmaßlichen Mittäter haben gegenüber den Lübekker Ermittlern Maik W.s Aussage bestritten.
Rene B., der laut Maik W.s Geständnis in das Asylbewerberheim durch ein Fenster im Erdgeschoß eingestiegen sei und das Feuer gelegt haben soll, "pöbelte lautstark", als er vernommen werden sollte, er habe "die Scheiße satt".
Bis heute hat er nicht aussagen müssen.
Das Ermittlungsverfahren gegen die vier, das nach dem Februar-Geständnis eröffnet werden mußte, stand kurz vor der Einstellung. (po.)