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aus Berliner Zeitung 25.07.1998

Datum: 25.07.1998,
Ressort: Politik
Autor:

Ingo Preissler

Debakel für die Justiz

Die gerichtliche Aufarbeitung des Brandanschlags auf das Lübecker Asylbewerberheim von 1996 gerät zum peinlichen Debakel für Justiz und Polizei. Für den Freispruch von Safwan Eid hatten die Lübecker Richter im Juli 1997 noch das ungeteilte Verständnis der Öffentlichkeit erfahren.
Die Ermittlungen waren schlampig und oft einseitig zu Lasten des Angeklagten geführt worden.
Die Polizei hatte Beweismittel nicht gesichert und Zeugenaussagen falsch oder gar nicht protokolliert.
Das machte es dem Gericht unmöglich, sich ein klares Urteil über die Brandnacht zu bilden.
Der Freispruch "in dubio pro reo" war die Konsequenz.
Indem sie die Mitschnitte von Gesprächen Eids nicht als Beweismittel anerkannten, gaben die Richter aber zugleich ohne Not Anlaß für das Revisionsverfahren.
Dem BGH blieb nur, das Verfahren neu aufrollen zu lassen.
Das ist um so bedauerlicher, als der widersprüchliche Inhalt der Gespräche selbst nach Auffassung der Staatsanwälte in Lübeck und Karlsruhe wenig erhellend ist.
So führt eine formale Nachlässigkeit nun zu dem Eindruck, es gebe sachliche Gründe, noch einmal gegen Eid zu verhandeln.
Zur gleichen Zeit beschäftigen sich die Staatsanwälte nur widerwillig mit den wiederholten Selbstbezichtigungen der Jugendlichen aus Grevesmühlen.
In diesem Chaos schwinden die Chancen, daß der Tod von zehn Menschen jemals gesühnt wird.