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junge Welt Interview

21.02.2000
Sind Geständnisse zum Brandanschlag in Lübeck verboten?
Rechtsanwältin Gabriele Heinecke verteidigte Safwan Eid. jW sprach mit ihr

* Safwan Eid ist im vergangenen Jahr zum zweiten Mal von dem Vorwurf freigesprochen worden, für den Brandanschlag in der Lübecker Hafenstraße verantwortlich zu sein, bei dem in der Nacht zum 18. Januar 1996 zehn Menschen starben und 38 verletzt wurden. Das Landgericht Kiel erklärte am 2. November 1999 in der Urteilsbegründung, es gäbe keinen hinreichenden Tatverdacht gegen Safwan Eid, aber gewichtige Argumente für seine Unschuld. Im Auftrag Eids betreibt die Rechtsanwältin Gabriele Heinecke das Klageerzwingungsverfahren gegen die tatverdächtigen vier jungen Männer aus der rechten Szene in Grevesmühlen.

F: Sie haben Anfang Februar beim Generalstaatsanwalt in Schleswig eine umfangreiche Beschwerdeschrift gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Grevesmühlener eingereicht. Kommen die doch noch vor Gericht?

Das kann ich leider nicht voraussagen, weil diese Entscheidung Staatsanwaltschaft und Gerichte in Schleswig- Holstein zu treffen haben. Die Fakten haben wir in der Beschwerdebegründung nochmals zusammengestellt. So konnten wir der Staatsanwaltschaft zum wiederholten Male nachweisen, daß es für die Anklageerhebung hinreichenden Tatverdacht gegen die sich »zur Tatzeit in Tatortnähe« - das ist der O-Ton von Oberstaatsanwalt Schultz am 18. Januar 1996 - befindenden jungen Männer gibt. Die Geschichte über ein angebliches Alibi der Grevesmühlener ist von der Staatsanwaltschaft erfunden und falsch.

F: Sind vor einer Anklageerhebung weitere Ermittlungen notwendig?

Im Wesentlichen nicht. Allerdings haben wir beantragt, den Abteilungsleiter der JVA Neustrelitz, demgegenüber der tatverdächtige Maik W. - er läßt sich »Klein Adolf« nennen - im Jahre 1998 ein ausführliches, später zweimal wiederholtes Geständnis abgelegt hatte, zu vernehmen. Dieser Zeuge gewann bei den nachfolgenden Vernehmungen durch Kripo und Staatsanwaltschaft Lübeck den Eindruck, Maik W. solle das Geständnis ausgeredet werden.

F: Maik W. wurde am 1. Februar 2000 vom Amtsgericht Neustrelitz wegen »nachgewiesener Falschaussage« - gemeint waren damit seine Geständnisse- zu sechs Monaten Haft verurteilt. Ist ihm damit gerichtlich verboten worden zu gestehen?

Das könnte man so sehen, und das Urteil ist in der Tat kurios. Wie ich aus den Akten weiß, hat Maik. W. wiederholt gestanden, daß und wie er mit seinen Freunden, die in dieser Nacht mit ihm in Lübeck waren, den Brand gelegt hat. Es ist bekannt, daß drei der jungen Männer aus Grevesmühlen frische, für Brandleger typische - höchstens 24 Stunden alte - Sengspuren im Gesicht und am Kopf hatten. Es drängt sich doch ein wenig die Vorstellung auf, daß das Urteil vom 1. Februar dem Ziel dienen könnte, das der Abteilungsleiter der JVA formuliert hat. Wir haben bei der Generalstaatsanwaltschaft Beiziehung der Akten und Akteneinsicht beantragt.

F: Was passiert, wenn der Generalstaatsanwalt Ihre Beschwerde zurückweist?

Dann wird das Oberlandesgericht in Schleswig den Sachverhalt entscheiden müssen.

Interview: Alyn Beßmann

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