junge Welt, Mittwoch, 24. Januar 1996, Nr. 20, Seite 3,ansichten
F: Wie ist die Situation Ihres Mandanten im Moment?
Er ist in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Lübeck. Die Staatsanwaltschaft hat Einzelhaft angeordnet, angeblich zu seinem Schutz, weil nicht auszuschließen sei, daß er von anderen Mithäftlingen wegen dieses schweren Vorwurfes bedroht würde. Auch die gesamte Familie bekommt keine Besuchserlaubnis, was mit Verdunklungsgefahr begründet wird.
F: Wie lange ist Ihr Mandant vernommen worden?
Bei der ersten Vernehmung waren es sechs Seiten Niederschrift. Am Sonnabend dauerte es bei dem Haftrichter eine ganze Zeit, weil wir zu allen Punkten, die im Antrag auf Erlaß des Haftbefehls von der Staatsanwaltschaft genannt waren, natürlich eine Erklärung von Safoan mit ins Protokoll genommen haben.
F: Wie lauten die Einlassungen Ihres Mandanten?
Er bleibt dabei, daß er mit dem Brand nichts zu tun hat.
F: Er soll ja »Wir waren es« gesagt haben.
Er soll das gegenüber dem Rettungssanitäter in dem Bus, der die Leichtverletzten zum Krankenhaus gebracht hat, gesagt haben. Er sagt jedoch, daß er gesagt habe: »Sie waren es«. Dabei hat er sich auf die Informationen bezogen, die ihm sein Vater vermittelt hat. Die Opfer des Brandes wurden bei ihrer Rettung durch die Sanitäter in Leicht und Schwerverletzte eingeteilt, um sie entweder im Bus oder im Krankentransporter zu versorgen. In dieser Situation hätte der Vater ihm berichtet, daß er ein Knarren der Gartentür, dann einen Knall gehört habe, als ob eben etwas kaputtgegangen sei, und dann sei er zum Fenster gegangen und habe einen Feuerschein gesehen. Und dieses, so sagt Safoan, habe er auch dem Rettungssanitäter mitgeteilt. Sein Vater gehörte zu denen, die schwerer verletzt waren.
F: Die Polizei leitet nun davon ab, daß er genaue Kenntnis des Tathergangs besäße.
Ja, darüber diskutieren nun alle. Es ist so, daß die kriminaltechnische Untersuchung ergeben haben soll, daß vor der Wohnungstür des Nachbarn seiner Eltern der Brandherd gelegen hat. Und dort soll eine brennbare Flüssigkeit den Flur entlang die Treppe runtergelaufen sein, und damit soll dann eben alles gebrannt haben, als das angezündet worden sei.
F: Hätte auch ein Fremdtäter in das Haus gelangen können?
Da scheiden sich die Geister. Die Polizei sagt, die Tür sei sogar zweimal abgeschlossen gewesen. Mehrere Hausbewohner hingegen, also nicht nur Safoan, berichten mir, daß die Scheibe in der Aluminiumtür schon lange kaputt gewesen sei. So hätte man sich Eingang verschaffen können, wenn man mit einem Fuß dagegengetreten hätte.
F: Hat Ihr Mandant Safoan auch davon berichtet, daß der Brand an mehreren Stellen ausgebrochen sei?
Nein, er selbst hat nicht gesehen, wo es gebrannt hat. Safoan hat, nachdem ihn seine Nachbarin mit Klopfen an der Wand geweckt hatte, nichts weiter als die Tür aufgemacht. Als ihm dann furchtbarer Qualm entgegenkam, hat er die Tür wieder geschlossen.
F: Bewohner haben berichtet, daß es schon mehrere versuchte Brandanschläge gegeben habe. Im Dezember 1995 soll eine brennbare Flüssigkeit in das Haus geschleudert worden sein.
Ja. Die Bewohner sagen, daß ein Behälter mit einer teerartigen Flüssigkeit in das Haus geworfen worden sein soll. Die Polizei bestreitet dies, weil ihr die Sache im Dezember vielleicht nicht wichtig genug war, um aufzunehmen, daß dennoch nichts gebrannt hat. Aber so viele berichten davon, daß es wohl stimmen muß.
F: Verfolgt die Polizei diese Spur Ihrer Kenntnis nach nicht oder zu wenig?
Das weiß ich nicht. Ich kann das jetzt nur annehmen, weil es so ist, daß der Polizeichef am Montag morgen gesagt hat, man sei nun dabei, die Mitwisser und Mittäter zu ermitteln. Das wäre meines Erachtens nach eine Einengung der Ermittlungen, die nicht hinzunehmen wäre, denn man sollte nach wie vor den Täter ermitteln.
F: Wie bewerten Sie die Beweislage gegen Ihren Mandanten?
Also ich empfinde sie als dünn, die Staatsanwälte finden sie hervorragend.
F: Das mögliche Tatmotiv ist ziemlich unklar. Jetzt wird davon gesprochen, daß es Konflikte zwischen Arabern und Afrikanern gegeben haben soll. Ist Ihnen das bekannt?
Inzwischen ist es so, daß auch die Afrikaner sagen, wir kannten den, wir sind gut mit ihm ausgekommen, und es gibt und gab dort keinen Streit. Sie haben deutlich gemacht, daß sie ihn nicht für den Täter halten, und das würden sie wohl kaum tun, wenn es hier irgendwelche Konflikte gegeben hätte.
Interview: Charlotte Spielmann