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junge Welt, Freitag, 13. September 1996, Nr. 125, Seite 14, schriftverkehr

>> Grevesmühlen-Debatte III

(Schriftverkehr, jW, 7. 9.)

11. 9. Unsere Stellungnahme zur Demonstration in Grevesmühlen hat zum Teil heftige Reaktionen herausgefordert. In einem von der Créme de la Créme der antinationalen Bewegung unterzeichneten Leserbrief in der jungen Welt vom 7. September heißt es gar, daß es weder die Grundlage gäbe für »einen erbitterten und bösen Streit« mit uns noch für »stille Ignoranz« - was auch immer dann noch für Möglichkeiten des Verhaltens verbleiben, wenn es nicht um praktische Bekämpfung gehen soll.

Auch die Antinationalen werden es lernen müssen, mit öffentlich geäußerter Kritik zu leben, ohne ihre KritikerInnen deswegen sofort in das Lager des Gegners zu definieren. Wer unsere Stellungnahme aufmerksam gelesen hat, konnte feststellen, daß es sich um eine scharfe politische Kritik gehandelt hat, um den Versuch, eine Debatte über die erfolgversprechendste antirassistische Strategie zu beginnen und eben nicht um Ausgrenzung.

Wir sind in der Tat der Auffassung, daß die Vorgehensweise der Antinationalen zwar konsequent und radikal erscheint, in Wirklichkeit aber Ausdruck einer längst erfolgten Kapitulation vor den herrschenden Verhältnissen ist. Eine Veränderung dieser ausbeuterischen, rassistischen und sexistischen Realität ist nur dann möglich, wenn wir perspektivisch (natürlich nicht ausgezählte, sondern qualitative) Mehrheiten für linke Vorstellungen gewinnen. Das heißt ganz ausdrücklich nicht, um dieses programmierte Mißverständnis im Vorfeld auszuräumen, daß in der Bevölkerung unzweifelhaft breit vorhandenen rassistischen Vorurteilen nicht entschieden entgegengetreten werden sollte.

Wirksame antirassistische Politik ist jedoch nur dann möglich, wenn Menschen und Strukturen in ihrer Veränderbarkeit erkannt werden. Die richtigen Schritte für diese Veränderung zu erkennen und umzusetzen - das sollte Ziel unseres Streitens sein. Es muß auch gestattet sein, eine bestimmte Aktion als kontraproduktiv zu kritisieren. Über den Zusammenhang, in den die Lübecker Nachrichten unsere Stellungnahme gerückt haben, waren wir auch nicht glücklich. Uns war wichtig, daß auch die Lübecker Öffentlichkeit unsere Position zu den geplanten Aktivitäten wahrnimmt, dennoch hätten wir besser dafür Sorge tragen können, daß unsere Äußerungen nicht zur platten Hetze gegen die Demonstration mißbraucht werden konnten. Immerhin wurde unsere eindeutige Stellungnahme gegen das Verbot, die diese Maßnahme der Staatsmacht einordnet in die Linie von Repressionsmaßnahmen gegen KritikerInnen der rassistischen Ermittlungen, wenige Tage später ebenfalls in den LN abgedruckt.

Uns jedoch in die Nähe der Lübecker Staatsanwaltschaft zu rücken und uns gar zu unterstellen, wir seien gegen Demonstrationen überhaupt oder würden ihrem Verbot das Wort reden, ist nichts als billige Polemik. Der Beitrag des Lübecker Bündnisses gegen Rassismus zur Aufdeckung und öffentlichen Thematisierung der rassistischen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zum Brand vom 18. Januar dürfte auch den Antinationalen bekannt sein - ebenso wie die Tatsache, daß wir deswegen zum Ziel von Ermittlungen und Beschlagnahmen durch eben jene Staatsanwaltschaft wurden.

Wir sind weiterhin an einer konstruktiven Debatte interessiert. Gute Ansätze hierzu haben wir in der Stellungnahme der Gruppe demontage gesehen, die zwar unsere politischen Absichten gleichfalls mißverstanden zu haben scheint, in deren Text aber nach unserer Auffassung die richtigen Fragen gestellt werden.

Lübecker Bündnis gegen Rassismus

>> Grevesmühlen-Debatte IV

(Schriftverkehr, jW, 7. 9.)

7. 9. Betrifft: Stellungnahme von ak kassiber, gruppe transit, redaktion bahamas, café morgenland, lübeckgruppe im antinationalen Büro: Die Stellungnahme der oben angeführten Gruppen hat mich ausgezeichnet unterhalten. Besonders schön ist der Satz: »Die Forderung nach Differenzierung ist traditionell eine aus dem herrschenden Lager.« In diesem Sinne voll links und undifferenziert: Die Autorinnen und Autoren haben gehörig einen an der Waffel.

Stephan Linck, Kiel