junge Welt, Donnerstag, 16. Januar 1997, Nr. 13, Seite 5, inland
"Die Situation auf den Ämtern hat sich für uns Flüchtlinge seit dem Brandanschlag eher noch verschlechtert", erklärte Lofoa Midho am Dienstagabend bei einer Ausstellungseröffnung im Lübecker Rathaus. Vor fünf Jahren ist er vor dem Mobutu-Regime aus Zaire geflohen; seitdem lebt Midho mit seiner Frau und zwei Kindern in der Hansestadt. Mindestens alle drei Monate muß er sich in den »bürokratischen Dschungel« der Behörde wagen, um seine Duldung verlängern zu lassen. Eine Arbeit findet er so natürlich nicht.
Daß sein Fall kein Einzelschicksal ist, zeigt die Ausstellung »Flüchtlingsleben-Beispiel Lübeck«, die seit Dienstag im Rathaus der Travestadt gezeigt wird. Sie geht auf eine Begehung Lübecker Flüchtlingsunterkünfte zurück, die im Juni vergangenen Jahres von der Flüchtlings-AG für Journalisten und Kommunalpolitiker organisiert worden war. Von den hygienischen Mängeln und der unzureichenden Versorgung in der landeseigenen Zentralen Aufnahmestelle wurde manches aufgrund der Presseberichte behoben, doch das Wesentliche blieb: die Enge und die Isolation. »Seit dem Anschlag haben wir alle Angst und fühlen uns in den Heimen nicht wohl. Wir möchten lieber unter den Deutschen, das heißt in normalen Wohnungen, untergebracht werden«, so Midho.
In Lübeck lebt noch immer fast die Hälfte der Flüchtlinge in Sammelunterkünften. Ein Teil von ihnen darf nicht einmal alleine in ein Geschäft gehen. »Betreutes Einkaufen« heißt das im Bürokraten-Deutsch. »Wir fühlen uns wie Kinder behandelt«, schildert Midho die entwürdigende Situation.
Bürgermeister Michael Bouteiller, der es sich nicht nehmen ließ, die Ausstellung zu eröffnen, ist »nicht stolz darauf, wie in dieser Stadt Flüchtlinge untergebracht werden«. 1992 habe es in Lübeck noch 1 500 Flüchtlinge gegeben, jetzt seien es nur noch 432. Das sage viel darüber aus, so Bouteiller, wie der deutsche Staat, einer der reichsten der Welt, mit Flüchtlingen umgehe.
Wolfgang Pomrehn, Lübeck