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junge Welt, Montag, 11. März 1996, Nr. 60, seite 4, inland

>> »Aber sie glauben uns nicht«

> Kundgebung für die Freilassung von Safwan Eid vor der Lübecker Justizvollzugsanstalt

Rund 250 TeilnehmerInnen haben am Samstagnachmittag vor der Justizvollzugsanstalt Lübeck für die sofortige Freilassung von Safwan Eid demonstriert. Der Libanese wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, den Brand am 18. Januar im Lübecker Flüchtlingsheim gelegt zu haben, bei dem zehn Menschen starben. Erst am Donnerstag war auch das Fernsehmagazin Monitor mit massiven Zweifeln an der Ermittlungstätigkeit der Lübecker Staatsanwaltschaft an die Öffentlichkeit getreten.

Die Angehörigen von Safwan Eid hatten mit einem eigenen Aufruf zur Kundgebung mobilisiert, in dem sie zu ihrer Situation schreiben: »Safwan ist der viertälteste Sohn unserer Familie (...)Wir alle sind im Libanon geboren. Wir leben jetzt sechs Jahre in Deutschland. Wir mußten unser Land verlassen, weil dort seit vielen Jahren Krieg herrscht. Drei Jahre haben wir in Lübeck in der Neuen Hafenstraße gewohnt.« Zu dem angeblichen Tatmotiv heißt es: »Safwan ist kein Brandstifter. Er hatte keinen Streit mit seinem Vater, es gab keinen Streit mit Gustave um eine Frau, es gab keinen Haß zwischen unseren Familien.« In ihrem sehr persönlichen Text heißt es schließlich: »Safwan muß sofort freigelassen werden. Alles, was wir gesagt und hier geschrieben haben, weiß die Staatsanwaltschaft. Aber sie glauben uns nicht. Die Aussage von einem deutschen Sanitäter ist mehr wert als die Berichte von 30 Flüchtlingen. Ein Deutscher soll nicht der Täter sein. Wir werden ein zweites Mal verfolgt. Wir waren die Opfer des Brandanschlags, jetzt sind wir die Opfer der Ermittlungen.«

Die Kundgebung verlief ohne Zwischenfälle. Noch Ende letzter Woche sorgten Auflagen des Ordnungsamtes unter den AnmelderInnen für Empörung. Die Benutzung phonverstärkender Geräte auf der Kundgebung war u.a. mit der Begründung verboten worden: »Die Abschiebehäftlinge sind gut ansprechbar auf Parolen, die ihren Status und die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Verbringung in den Strafvollzug anbelangen. Sie sind gewaltbereit.« Der Kommentar des »Lübecker Bündnis gegen Rassismus« zu dieser Stellungnahme: »Purer Rassismus«.

Peter Nowak, Lübeck