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junge Welt, Montag, 25. März 1996, Nr. 72, Seite 5, inland

>> Demo für die Freilassung von Safwan E.

> 1 000 Menschen kritisierten in Lübeck die einseitigen Ermittlungen

Etwa 1 000 Menschen demonstrierten am Samstag nachmittag durch die Innenstadt von Lübeck. Die DemonstrantInnen forderten die sofortige Freilassung von Safwan E., der von der Staatsanwaltschaft beschuldigt wird, den Brand am 18. Januar im Flüchtlingsheim in der Lübecker Hafenstraße gelegt zu haben, und seit über zwei Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Obwohl die Staatsanwaltschaft Mitte letzter Woche selber zugeben mußte, daß das ursprünglich von ihr genannte Tatmotiv, Streitereien unter den Flüchtlingen, nicht länger aufrechtzuerhalten ist, wurde der Haftbefehl gegen Safwan E. nicht aufgehoben. Ein Brandsachverständiger, den der Spiegel in der heute erscheinenden Ausgabe zitiert, bezweifelt die amtliche Darstellung der Brandursache. Andere mögliche Brandherde seien »nicht intensiv untersucht« worden.

Auf der Auftaktkundgebung sprachen Angehörige von Safwan E. und VertreterInnen veschiedener Flüchtlingsgruppen. Sie machten deutlich, daß nicht nur Safwan E. beschuldigt wird, sondern alle BewohnerInnen des Hauses in der Hafenstraße von den Behörden und Teilen der Bevölkerung zu TäterInnen gestempelt wurden. Sie forderten neben der Freilassung von Safwan E. die sofortige Einstellung der Polizeiverhöre gegen die Flüchtinge. Entgegen der Behördendarstellung lebt auch über zwei Monate nach dem Brand noch immer ein Teil der Flüchtlinge in einer Kaserne. Deshalb wurde auch die sofortige Zuweisung von Wohnungen für alle Überlebenden gefordert.

Während der Demonstration erklärten VertreterInnen verschiedener antirassistischer Initiativen aus der gesamten BRD, das »Modell Lübeck« sei schon seit einigen Jahren in verschiedenen Städten der BRD ausprobiert worden. Entweder wurden die Flüchtlinge beschuldigt, Brände durch unsachgemäßes Bedienen von elektrischen Geräten ausgelöst zu haben, oder die Flüchtlinge wurden gleich zu BrandstifterInnen gestempelt.

Vor dem abgebrannten Flüchtlingsheim in der Lübecker Hafenstraße wurde eine Schweigeminute für alle Opfer rassistischer Bandanschläge in der BRD eingelegt. Groß war die Empörung der DemonstrationsteilnehmerInnen, als sie festellen mußten, daß auf den Mauern der abgesperrten Brandruine riesige Hakenkreuze prangten. Am Schluß zog der Demonstrationszug zu dem Untersuchungsgefängnis, in dem Safwan E. sitzt.

Peter Nowak, Lübeck