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junge Welt, Dienstag, 25. Juni 1996, Nr. 146, Seite 5, inland

>> Anklage ohne Beweise und Indizien

> Internationale Untersuchungskommission zum Lübecker Brandanschlag legt erste Ergebnisse vor

"Die Lübecker Staatsanwaltschaft sucht nicht nach der Wahrheit." Der Vorwurf von Beate Klarsfeld gegen die Behörden der Hansestadt ist deutlich. Am Wochenende traf sich die französische Menschenrechtlerin mit weiteren namhaften Persönlichkeiten aus dem europäischen Ausland, um mit der Internationalen Unabhängigen Kommission zur Aufklärung der Hintergründe des Lübecker Brandanschlags am 18. Januar dieses Jahres beizutragen. Am Montag stellte die Kommission ihre bisherigen Ergebnisse der Presse vor.

Man sei besorgt über bestimmte Aspekte der Ermittlung; der Herangehensweise der Behörden fehle es an Ausgewogenheit und Objektivität, heißt es in einer Erklärung. »Wir sind nicht gekommen, die deutsche Justiz zu beschuldigen«, meint Christian Bruschi, Rechtsanwalt aus Marseille. Aber es sei offensichtlich, daß einerseits viel Mühe aufgewandt wurde, eine Anklage gegen Safwan Eid zu konstruieren, während andererseits im Falle der Verdächtigen aus Grevesmühlen das genaue Gegenteil passiere.

Da paßt es, daß die Staatsanwaltschaft eine Zusammenarbeit mit der Kommission ablehnt. Die Behörde berufe sich darauf, so Rechtsanwalt Hans Langenberg aus Utrecht, daß es für die Kommission keine Rechtsgrundlage gebe.

Die Beweislage gegen den zwanzigjährigen Libanesen halten die Fachleute für äußerst dürftig, vor allem, nachdem wichtige Beweismittel auf wundersame Weise verschwunden sind. So ist eine Bodenplatte, die den Ausbruch des Brandes im ersten Stock belegen sollte, just seit dem Augenblick nicht mehr auffindbar, als das entsprechende Gutachten der Staatsanwaltschaft von dem unabhängigen Brandexperten Ernst Achilles demontiert wurde. Umso verwunderter ist man über die Richter, die Eids Untersuchungshaft wiederholt bestätigt haben. Als Anwalt wisse er, so Hans Langenberg auf ungläubige Nachfragen deutscher Journalisten, daß sich auch Richter irren können.

Beate Klarsfeld wurde deutlicher: Sie habe aus ihrer Arbeit zur Verfolgung von NS-Verbrechern bisher eine hohe Achtung vor der Sorgfalt deutscher Staatsanwälte gehabt. Nun habe sie aber der Blick in die Akten überzeugt, daß ohne Beweise und tragfähige Indizien eine Anklage konstruiert worden sei. Dahinter stecke eine Strategie, die von rechtsradikalen deutschen Tätern ablenken solle.

So weit mochten die anderen Kommissionsmitglieder zwar nicht unbedingt gehen, aber man ist sich einig: »Das Verfahren ist nicht so gelaufen, wie es in einem Rechtsstaat sein sollte.« Wolfgang Pomrehn, Lübeck