junge Welt, Sonnabend/Sonntag, 6./7. Juli 1996, Nr. 156, Seite 5, inland
Die Hauptverhandlung gegen Safwan Eid wird eröffnet. Die Jugendkammer des Lübecker Landgerichts hat die Klage der Staatsanwaltschaft zugelassen. Dies bestätigte die Behörde auf Anfrage. Mit Beginn des Prozesses ist demnach bereits Ende August oder Anfang September zu rechnen. Eid, dem die Strafverfolger vorwerfen, für den Brand in dem Lübecker Flüchtlingsheim am 18. Januar verantwortlich zu sein, war am Dienstag aufgrund einer Entscheidung der Jugendkammer mangels »dringenden Tatverdachtes« aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Staatsanwalt Klaus-Dieter Schultz zeigte sich zufrieden. »Der Beschuldigte ist damit auch nach Auffassung der Jugendkammer hinreichend verdächtig, die ihm angelastete besonders schwere Brandstiftung und fahrlässige Körperverletzung begangen zu haben,« sagte Schultz am Freitag. Gleichzeitig kündigte er an, keine Rechtsmittel gegen die Entlassung Eids einzulegen. Schultz gehe davon aus, »daß sich der Beschuldigte der Hauptverhandlung nicht entziehen werde, sondern dort zu Aufklärung des Sachverhalts beitragen will«.
Die Jugendkammer erkennt den »hinreichenden Tatverdacht« gegen Eid, obwohl sie bei ihrer Entscheidung am Dienstag alle wesentlichen von der Staatsanwaltschaft hervorgebrachten Verdachtsmomente in Frage gestellt hatte. Ein öffentliche Begründung für die Entscheidung, so war bei der Lübecker Jugendkammer zu erfahren, gebe es nicht. Auch gegenüber Staatsanwaltschaft und Verteidigung müsse der Beschluß nicht begründet werden. Rechtsanwältin Heinecke bezeifelte bislang, daß das Hauptverfahren gegen ihren Mandanten überhaupt eröffnet werde. Am Freitag erklärte sie sich die richterliche Entscheidung damit, »daß das Gericht die vielen Widersprüche in den Ermittlungen gegen Safwan Eid geklärt wissen will«.
Die Internationale Untersuchungskommission, in deren Rahmen sich mehrere Anwälte aus dem europäischen Ausland und Israel mit dem Fall beschäftigen, hat indessen am Freitag gefordert, die Ermittlungen gegen die Verdächtigen aus Grevesmühlen sofort wiederaufzunehmen. Die vier jungen Männer aus der mecklenburgischen Kleinstadt waren in der Tatnacht in der Nähe des Hauses gesehen und am nächsten Tag festgenommen worden. Obwohl zahlreiche Hinweise auf einen Zusammenhang der Männer mit dem Brandanschlag hindeuteten, kamen sie am nächsten Tag frei.
Wolf-Dieter Vogel