junge Welt, Freitag, 19. Juli 1996, Nr. 167 , Seite 5, inland
"Safwan ist unschuldig." Mit großen Lettern mobilisiert ein Plakat des Lübecker Bündnisses gegen Rassismus für Samstag zu einem Aktionstag »für die Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen die tatverdächtigen Neofaschisten«. Auch auf dem Aufruf zu sehen: Ein Bild von Michael Böckenhauer, dem leitenden Staatsanwalt der Ermittlungen zum Brandanschlag auf das Flüchtlingswohnheim am 18. Januar. Daß dieser vor dem zerstörten Gebäude abgebildet wird, während er eine Zigarette raucht, legt der Strafverfolger sehr eigenwillig aus. Man wolle ihn in die Nähe von Brandstiftern rücken, vermutet Böckenhauer. Dessen Kollege Klaus-Dieter Schultz ermittelt jetzt gegen das Bündnis wegen möglicher »Beleidigung«.
»Das ist doch vollkommen an den Haaren herbeigezogen«, reagiert Bündnis-Sprecher Christoph Kleine. Schließlich rauche Böckenhauer nun al in der Öffentlichkeit. Das Plakat enthalte eine scharfe politische Kritik an der Staatsanwaltschaft, jedoch keine persönliche Beleidigung. Die Gruppe wirft der Behörde vor, entweder bewußt oder aufgrund »schlichter Inkompetenz« einseitig gegen den immer noch beschuldigten Libanesen Safwan Eid ermittelt zu haben. Spuren, die auf einen rechtsradikalen Hintergrund hinwiesen, sei nicht nachgegangen worden. Deshalb sollten Schultz und Böckenhauer »aus dem Verfahren abgezogen werden«.
Naheliegend, daß der Bündnis-Sprecher hinter den jetzigen Vorwürfen mehr vermutet. »Wenn die Ankläger schon auf dieses Plakat so empfindlich reagieren, scheint ihnen mittlerweile jegliche Souveränität abhanden gekommen zu sein,« so Kleine gegenüber jW.
Wolf-Dieter Vogel