nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Fri Sep  4 00:12:41 1998
 

junge Welt, Donnerstag, 25. Juli 1996, Nr. 172, Titelseite

>> Lübecker Staatsanwälte handeln

> Büro von Bündnis gegen Rassismus durchsucht.

Von Wolf-Dieter Vogel

Wenn es um die Verfolgung von Antirassisten geht, wollen sich die Lübecker Justizbehörden keinerlei Schlampereien nachsagen. Am Dienstag durchsuchten Polizeibeamte im Auftrag des Amtsgerichtes der Hansestadt das Büro des Bündnisses gegen Rassismus. Auf der Suche nach »Plakaten mit der Aufschrift "Safwan ist unschuldig"« drangen die morgendlichen Besucher gewaltsam in die Räume ein. Mitgenommen wurden neben 153 der inkriminierten Aufrufe auch zwei Computer sowie zahlreiche Disketten und CDs. Im Text des Plakates werde die Forderung erhoben, »rassistische Ermittlungen« im Zusammenhang mit dem Brand im Flüchtlingswohnheim am 18.Januar zu beenden, heißt es im bereits am 18. Juli erstellten Durchsuchungsbeschluß. »Daneben wird der zuständige Staatsanwalt abgebildet und damit zum Ausdruck gebracht«, konkretisieren die Strafverfolger, »daß er rassistisch ermittelt«. Mit der Verbreitung des Plakates werde möglicherweise »die Würde des Staatsanwaltes Dr.Böckenhauer und sein Ruf mißachtet und geschädigt.« Vergangene Woche hatte Staatsanwalt Klaus-Dieter Schultz deshalb ein Beleidigungsverfahren gegen die Gruppe angestrengt. Das Plakat enthalte »besonders schlimmen Inhalt«, bekräftigte Schultz am Mittwoch auf jW-Anfrage. Nun wird zudem wegen des Verdachts der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole ermittelt.

»Das übereifrige Vorgehen gegen politische Kritik steht in merkwürdigem Kontrast zu der Untätigkeit der Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung der Spuren, die auf eine Täterschaft von Rechtsextremisten hinweisen«, reagierte Bündnis-Sprecher Christoph Kleine auf die Aktion.