junge Welt, Mittwoch, 28. August 1996, Nr. 201, Seite 3,ansichten
> Luise Krüger
Luise Krüger ist Kreisvorsitzende der PDS Grevesmühlen
F: Am Sonnabend soll in Grevesmühlen eine antifaschistische Demonstration stattfinden. Anlaß ist die Tatsache, daß vier Tatverdächtige des Brandanschlages von Lübeck aus Grevesmühlen kommen. Wird diese Demo von der PDS unterstützt?
Nein. Über Flugblätter und Plakate haben die Veranstalter zur Gewalt aufgerufen, das können wir nicht unterstützen. Im übrigen ist die Demonstration deswegen auch von der Kreisverwaltung verboten worden.
F: Was empfinden Sie in den Flugblättern und Plakaten als Aufruf zur Gewalt?
Das kann ich aus dem Stegreif nicht sagen. Wir haben eine Presseerklärung zu der Demonstration gemacht, wo wir zwei Dinge unterscheiden: Wir identifizieren uns mit den Inhalten der geplanten Demonstration, aber nicht mit der Art und Weise, wie die Sache angelegt ist. Jedenfalls ist die Sprache auf den Flugblättern nicht gerade PDS-nah. Wir wurden trotzdem mit der Demonstration in Verbindung gebracht, weil deren Organisationsbüro seinen Sitz in einer PDS-Geschäftsstelle in Berlin-Kreuzberg hat, und dann wurde ich überall darauf angesprochen. Und deswegen mußten wir öffentlich klarstellen, daß wir nichts damit zu tun haben.
F: Aber das Problem des Neofaschismus in Grevesmühlen sehen Sie auch?
Es gibt keine rechte Szene, aber rechte Leute. Und in diesem Punkt geben wir den Aufrufern der Samstagsdemo recht: Der Brandanschlag in Lübeck ist furchtbar gewesen, und die Spur zu den vier Jugendlichen aus Grevesmühlen wurde viel zu wenig untersucht. Allerdings haben wir herausgefunden, daß der Schwerpunkt der rechten Aktivitäten im Kreis in einem anderen Ort liegt, nicht in der Stadt Grevesmühlen.
F: Wenn Sie das Entsetzen teilen, daß vom Lübecker Brandanschlag eine Spur nach Grevesmühlen führt: Was hat die PDS in Grevesmühlen eigentlich in dem halben Jahr nach dem Brandanschlag an öffentlichen Aktivitäten entwickelt, um darauf aufmerksam zu machen?
Wir haben aktiv gar nichts gemacht. An dem Tag, als das passiert ist, wendeten sich auch die Lübecker an uns, damit sofort eine Demonstration hier gemacht werden sollte, obwohl noch gar nichts ermittelt war.
F: Aber in der Folgezeit sind starke Indizien aufgetaucht, die auf Täter aus Grevesmühlen hinwiesen.
Das ist richtig, und dazu haben wir uns auch geäußert.
F: Aber die PDS hat auch dann keine Aktivitäten im Kreis Grevesmühlen entfaltet, keine Demonstration, keine Veranstaltung?
Nein. Dazu haben wir auch gar nicht die Kraft.
F: Wie stark ist die PDS in Grevesmühlen?
Bei den letzten Kommunalwahlen haben wir knapp 25 Prozent bekommen.
F: Dann hätten Sie doch über die Wahlkampfkostenrückerstattung zumindest genügend Geldmittel, um Aktivitäten zu entfalten.
Das ist nicht eine Frage des Geldes.
F: Sondern?
Wir haben's nicht als das Problem bei uns angesehen.
F: Die halbe Republik hat sich mit Lübeck und den Hintergründen beschäftigt - und in Grevesmühlen war's kein wichtiges Thema?
Das Problem war: Wenn wir uns das einseitig auf unsere Fahnen heften und meinetwegen eine Demonstration am Ort anzetteln, dann bringt uns das herzlich wenig. Das macht nur Sinn, wenn es parteiübergreifend passiert.
F: Im Bündnis unter anderem mit der CDU, von der Sie wissen, daß sie nicht gerade dem Antifaschismus verpflichtet ist?
Das wird sich jetzt am 12. September zeigen, wenn wir wieder im Kreistag debattieren. Dann werden wir den Landrat und andere Verantwortliche in die Pflicht nehmen; das ist wichtig, denn in Interviews wird immer gesagt, hier gebe es keine rechte Szene, es sei alles in Ordnung
aber das ist nicht so, das hat sich gezeigt.
F: Die Demonstration am kommenden Sonnabend wurde verboten, die Antifa-Gruppen wollen es dennoch versuchen. Kritisiert die PDS das Verbot?
Ich war zunächst mal froh, daß die Demonstration so, wie sie angesagt war, nicht stattfindet. Weil ich mir davon im Moment nichts verspreche. Das bringt nichts.
F: Aber da die PDS vorab klargemacht hatte, daß sie nicht Mitveranstalterin ist, hätte sie doch die Demonstrationsfreiheit anderer verteidigen müssen, oder?
Ich habe noch nicht hinterfragt, warum das abgesagt worden ist. Das ging erst gestern (am Montag) durch die Presse.
Interview: Jürgen Elsässer