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junge Welt, Montag, 2. September 1996, Nr. 205, Titelseite

Lübeck: Verdächtige belasten sich

> Polizei verhinderte Demo in Grevesmühlen. Von Wolf-Dieter Vogel

Bei den Ermittlungen zum Brandanschlag auf das Lübecker Flüchtlingswohnheim sollen nach Informationen des Spiegel neue Verdachtsmomente gegen vier Männer aus Grevesmühlen aufgetaucht sein. Zwei Mitglieder des Quartetts, das nach dem tödlichen Feuer am 18. Januar kurzzeitig festgenommen worden war, haben demnach eine mögliche Tatbeteiligung eines weiteren Angehörigen der Gruppe nicht ausgeschlossen. Dieser könne »seine Finger in der Brandsache Hafenstraße« gehabt haben. In der Mecklenburger Kleinstadt verhinderte indessen die Polizei am Sonnabend mit einem Prügeleinsatz eine Demonstration unter dem Motto »Die Täter sind überall. Auf nach Grevesmühlen!«. Über 200 Personen wurden dabei festgenommen.

Die neuen Hinweise gehen vor allem auf die Versengungen zurück, die bei dem Verdächtigen Dirk T. nach der Brandnacht festgestellt wurden. Dirk T., der nach eigenem Bekunden allein an dem Wohnheim vorbeigefahren war, gab bisher an, er habe sich die Brandspuren beim Anfeuern seines Ofens zugezogen. Darüber zeigt sich jetzt einer seiner Kumpels verwundert. »Ich selbst habe jahrelang Öfen beheizt und so was noch nie erlebt«, will er den Verdacht auf Dirk T. lenken. Die Sengspuren seien, so dessen Kumpels Heiko P. und René B. im Spiegel, belastend für Dirk T. - Brandspuren wurden allerdings auch bei René B. und seinem Kumpel Maik W. nachgewiesen. Maik W. hatte erklärt, er habe mit Dirk T. einen Hund angezündet. Dirk T. bestritt dies bisher. Jetzt berichten beide »nahezu übereinstimmend«, so der Spiegel, was sie mit dem Tier angestellt hätten. Sie hätten den Hund getötet und »in die Büsche« geworfen.

Die Besitzerin des Tieres bestätigte, daß ihr Hund im Januar verschwand - allerdings zehn Tage vor dem Brand von Lübeck.

Im Juli wurde bekannt, daß sich die Männer laut einem ersten Gutachten die Versengungen in der Brandnacht zugezogen haben müssen. Ende August gaben die Ermittler ein weiteres Gutachten in Auftrag, um zu beweisen, »daß die festgestellten Spuren ohne Einschränkung älter als einen beziehungweise mehrere Tage alt sind.«

Auch nach den neuesten Berichten bemüht sich die Staatsanwaltschaft vornehmlich, Verdachtsmomente gegen die Grevesmühlener auszuräumen. Die Angaben seien nicht völlig neu und ließen keine neuen Ermittlungen zu, hieß es am Wochenende. In der Tat dürfte der Behörde nicht erst seit gestern bekannt sein, daß sich die vier gegenseitig belasten. Bereits bei ersten Vernehmungen hatte Dirk T. eine Täterschaft seiner drei Freunde nicht ausgeschlossen. Maik W. sagte dasselbe über Dirk T. Nach der Freilassung des für die Tat beschuldigten libanesischen Flüchtlings Safwan Eid begannen sie, sich gegenseitig zu beschuldigen. Zuletzt hatte René B. Mitte Juli Verdachtsmomente gegen Dirk T. geäußert. Dirk T. widerspreche sich doch selbst, so René B. in der taz mit Blick auf die Sengspuren. Von seiner eigenen Erklärung, wie er sich die Verbrennungen zugezogen haben will, ist René B. aber weiterhin überzeugt. Er habe im Dunkeln Sprit für sein Mofa abgezapft. Als er dann mit einem Feuerzeug in den Kanister geleuchtet habe, sei es zu einer Stichflamme gekommen.