junge Welt, Freitag, 6. September 1996, Nr. 209, Seite 2, ansichten
F: Sie haben im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern versucht, die Vorfälle bei der Demonstration am 31. August in Grevesmühlen zur Sprache zu bringen. Wieso ist es nicht dazu gekommen?
Wir hatten eine Sondersitzung des Landtages, da gibt es keinerlei Fristen für Anträge, deshalb konnten wir kurzfristig beantragen, die Vorfälle in Grevesmühlen auf die Tagesordnung zu setzen. Aber sowohl die CDU als auch die SPD hatten bereits im Vorfeld erklärt, daß das Thema ihrer Meinung nach des Landtags nicht würdig ist. Man könne das ruhig im Innenausschuß hinter verschlossenen Türen behandeln. Meine Fraktion hat dagegen interveniert, aber natürlich ohne Erfolg.
F: Warum sollte das Thema nicht im Innenausschuß behandelt werden?
Ich hätte es lieber gesehen, wenn es im Landtag behandelt worden wäre, eben deswegen, weil der Innenausschuß nicht öffentlich tagt. Ich war selbst am 31. August in Grevesmühlen und habe gesehen, was dort los war. Da man kann doch zumindest ein paar unliebsame Fragen stellen. Die betreffen zum Beispiel die Vorgänge in der Gefangenen-Sammelstelle, die betreffen die Nicht-Ahndung von Hitlergrüßen, während die Gefangenen abgeführt wurden, die betreffen deren Versorgung, die betreffen die Behinderung der Arbeit der Anwälte der Gefangenen: Solche Fragen hätte ich schon ganz gerne beantwortet.
F: Haben Sie auch im Vorfeld der Demonstration versucht, gegen das Verbot zu arbeiten?
Ich gebe ehrlich zu, daß ich mich im Vorfeld nicht allzu intensiv darum gekümmert habe. Das ist sicherlich ein Versäumnis von unser aller Seite. Das hat aber auch damit zu tun, daß das Antirepressionsbüro, das die Demonstration organisierte, jede Zusammenarbeit mit uns abgelehnt hat.
F: Haben Sie versucht, Kontakt zu den Organisatoren aufzunehmen?
Ich habe vor der Demonstration versucht, Kontakt zum Antirepressionsbüro aufzunehmen, genauso wie meine Genossinnen Claudia Gohde und Halina Wawzyniak. Das wurde aber von seiten der Organisatoren abgelehnt. Es gab auch Aufrufe der Demonstranten, nicht mit der PDS zu demonstrieren.
F: Luise Krüger, Vorsitzende der PDS Grevesmühlen, hat am 28. August im Interview mit der jungen Welt gesagt, sie sei froh gewesen, daß die Demonstration so, wie sie angesagt war, nicht stattfände. Sie habe es nicht als ihr Problem angesehen, im Hinblick auf den Lübecker Brandanschlag Aktivitäten in Grevesmühlen zu organisieren. Wie erklären Sie sich solche Positionen innerhalb Ihrer Partei?
Ich kann sie mir gar nicht erklären. Ich konnte mir das gesamte Interview von Luise Krüger in der jungen Welt nicht erklären. Wie man als Kreisvorsitzende der PDS so blauäugig auf Fragen antworten kann, daß es in Grevesmühlen keine rechte Szene gebe und so weiter - das ist unglaublich. Es gibt in der BRD und auch in Mecklenburg-Vorpommern eine rechte Szene. Da die eigene Stadt, den eigenen Kreis auszuklammern, das ist nicht nur blauäugig, sondern gefährlich. Man macht sich selbst und anderen etwas vor. Ich habe mich im nachhinein sehr geärgert, daß ich nicht vorher mal mit ihr als der Kreisvorsitzenden gesprochen habe.
F: Lakap, der Landesarbeitskreis Alternative Politik, dem ich angehöre, stellt auch auf dem Landesparteitag am Wochenende einen Antrag auf Verurteilung des Polizeieinsatzes. Und da wollen wir auch über das Verhalten der PDS selbst zu Grevesmühlen sprechen.
Interview: Philipp Thiée