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junge Welt, Montag, 16. September 1996, Nr. 217, Seite 6, inland

>> Polizeiheer sichert Prozeß in Lübeck

> Verteidigerin Gabriele Heinecke: Unschuld Safwan Eids wird sich erweisen

Eine Stadt bereitet sich vor: Wenn am heutigen Montag der Prozeß gegen den Libanesen Safwan Eid eröffnet wird, dann werden neben ProzeßbeobachterInnen und JournalistInnen vor allem PolizistInnen das Bild der Hansestadt Lübeck schmücken. »Strenge Sicherheitsvorkehrungen« hat die örtliche Polizei angekündigt. Mit 200 BeamtInnen will sie das Gelände rund um das Gerichtsgebäude weiträumig absperren. Auch Polizeihunde werden im Einsatz sein, sogar Sprengstoffspürhunde sollten »für die Sicherheit aller Prozeßbeteiligten sorgen«. Unbeantwortet bleibt die Frage, durch wen sich diese gefährdet fühlen sollten.

Safwan Eid wird von der Lübecker Staatsanwaltschaft beschuldigt, im Januar das Feuer in der ehemaligen Flüchtlingsunterkunft in der Hafenstraße gelegt zu haben, bei dem zehn Menschen starben und 38 zum Teil schwer verletzt wurden. Das Verfahren wird vor der Jugendstrafkammer des Lübecker Landgerichts geführt. Drei Berufs- und zwei LaienrichterInnen verhandeln über die Anklage wegen besonders schwerer Brandstiftung und fahrlässiger Körperverletzung. Den ursprünglichen Tatvorwurf des mehrfachen Mordes mußten die Ermittler fallenlassen. Für die nun angeklagten Delikte ist eine Höchststrafe zwischen zehn Jahren und lebenslänglichem Gefängis angesetzt. Rund 60 ZeugInnen sind für die zunächst angesetzten zehn Prozeßtage geladen. Eids Verteidigerin Gabriele Heinecke ist davon überzeugt, daß sich die Unschuld des Libanesen erweisen wird. »Alles andere würde den Justizskandal weiter fortsetzen«, ergänzt sie.

Schon an den beachtlichen »Sicherheitsvorkehrungen« offenbart sich die politische Dimension des Verfahrens nur allzu deutlich. Die zu leugnen, hatte sich in der vergangenen Woche noch das örtliche Monopolblättchen Lübecker Nachrichten redlich bemüht. Die konservative Tageszeitung hatte das Verfahren auf ihre eigene Art vorbereitet: Anläßlich der Vorstellung des von jW-Redakteur Wolf-Dieter Vogel herausgegebenen Buches »Der Lübecker Brandanschlag« im Rathaus der Hansestadt hatten die LN gewettert, daß »drei Tage vor Prozeßbeginn versucht wird, auf das Gericht und den Ausgang des Prozesses Einfluß zu nehmen und politisch massiv Stimmung zu machen«.

Diese Zeilen fanden sich im Kommentar derselben Zeitung, die sich nur wenige Tage zuvor eifrig an der Suche nach einem angeblichen Tatmotiv Safwan Eids beteiligt hatten. Am vergangenen Freitag hatte die LN getitelt, Safwan Eid könne die Flüchtlingsunterkunft angezündet haben, weil er mit seiner Familie dort ausziehen wollte. Ein zynische Unterstellung, die als Gerücht schon Monate alt ist, von den LN jedoch wenige Tage vor Prozeßbeginn aufgewärmt wurde. Stimmungsmache?

Elke Spanner