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junge Welt, Donnerstag, 28. November 1996, Nr. 278, Seite 6, inland

>> Einschüchternde Fragen an ausländische Zeugen

> Nebenklage im Lübecker Brandprozeß versucht, mit Fragen nach dem Aufenthaltsstatus zu punkten

Im Lübecker Brandprozeß mußte sich der Zairer Kibolo Katuta, der am Montag die Tatversion der Verteidigung des Angeklagten Safwan Eid gestützt hatte, detailliert zu seinen Bemühungen um ein Aufenthaltsrecht auslassen. Vor allem der Nebenklageanwalt Ulrich Haage, der zu Beginn des Prozesses im September durch sein offensichtliches Interesse, an dem Verfahren beteiligt zu werden, aufgefallen war, fühlte Katuta auf den Zahn. Katuta, der am Montag sehr offensiv aufgetreten war und sogar Vorwürfe gegen die Lübecker Ermittler erhoben hatte, ließ sich dennoch nicht in die Defensive drängen. Daß die Frage nach dem Aufenthaltsstatus bei AusländerInnen durchaus suggestive Wirkung ausübt, räumte Haage gegenüber jW sogar ein.

Daß die ausländischen ZeugInnen eingehend nach dem Stand ihrer Asylverfahren befragt wurden, dürfte allerdings mehr als einschüchternde Prozeßtaktik zu interpretieren sein. Der Kampf um die Glaubwürdigkeit der ZeugInnen ist entbrannt aufgrund zweier sich widersprechender Aussagen. Die ehemalige Bewohnerin Assia El Omari hatte behauptet, ein Fenster im hölzernen Vorbau, das die Verteidigung Eids für eine mögliche Einbruchsstelle hält, sei gar nicht zu öffnen gewesen. Sie zeigte sich darin sicher, da sie das Fenster öfter geputzt habe, was nur von außen möglich gewesen sei.

Katuta hingegen hielt, wie schon am Montag, daran fest, das Fenster sei gar nicht zu schließen gewesen. Allerdings konnte er nicht eindeutig beschreiben, ob das Fenster nach außen oder nach innen zu öffnen gewesen sei. Doch auch das Argument von Assia El Omari, sie wüßte genau, daß es nicht zu öffnen gewesen sei, weil sie von außen putzen mußte, ist höchst fragwürdig. Denn das Fenster befindet sich so hoch über dem Boden, daß sie nur herangekommen wäre, wäre sie über einen darunterliegenden Fahrradständer auf den Fenstersims geklettert. Davon aber war bei Assia El Omari keine Rede.

Die Glaubwürdigkeit der Zeugen hatte Eids Anwältin Gabriele Heinecke mit dem Argument in Zweifel gezogen, Assia El Omari sei wegen des Schmerzes über den Verlust ihres Sohnes Rabia psychisch sehr labil. Das wies deren Nebenklageanwalt Wolfgang Clausen am Mittwoch zurück: Ihre Aussagen seien klar und deutlich gewesen. Ungereimtheiten wollte er damit erklären, daß es ihr an sprachlichem Unterscheidungsvermögen fehle. Zudem sei sie zunächst in bezug auf Safwan Eid in gutem Glauben gewesen, daher die entlastenden Aussagen vor der Polizei, von denen sie später zugunsten »ihrer Unabhängigkeit« abgerückt sei.

Zum Schluß stellte Heinecke den Antrag, den ersten Notruf aus dem Haus in der Brandnacht anzuhören. Das könnte beweisen, daß die beim Feuer gestorbene Frau Makoudila bei der Polizei angerufen habe. Anschließend habe Katuta von außen mit den hinter dem Fenster im zweiten Stock stehenden Kindern der Familie Makoudila gesprochen, um sie zum Sprung aus dem Fenster zu bewegen - in der Landessprache Zaires. Dies könnten die »lauten Stimmen in afrikanischer Sprache« gewesen sein, die Assia El Omari in der Brandnacht gehört haben will.

Elke Spanner, Lübeck