junge Welt, Montag, 20. Januar 1997, Nr. 16, Seite 7, inland
"Wir entschuldigen uns dafür, an der Verunsicherung der Öffentlichkeit über den Lübecker Brandanschlag vom 18. Januar 1996 und insbesondere über Herrn Safwan Eid, teilgenommen zu haben." Die Pressemitteilung des »SH-Zeitungsverlages« - Hausadresse des "Flensburger Tageblattes" - verwundert. Entsprechend reagiert man bei den "Kieler Nachrichten" auf jene »Gemeinsame Erklärung aller Schleswig-Holsteiner Tageszeitungen«, die offenbar mehreren Journalisten am Freitag zugefaxt wurde: »Eine eindeutige Fälschung«, hieß es beim Kieler Chefredakteur Ralf Schröder. Auch die Flensburger Kollegen hätten schon ein Dementi veröffentlicht.
Auch die Flüchtlings-Hilfsorganisation Pro Asyl hat sich zum Jahrestag des Anschlages, bei dem am 18. Januar 1996 zehn Menschen gestorben sind, zu Wort gemeldet. Man appelliere an den schleswig-holsteinischen Innenminister Ekkehardt Wienholtz sowie dessen Bonner Kollegen Manfred Kanther, »endlich eine humanitäre Regelung für ein dauerhaftes Bleiberecht der überlebenden Brandopfer zu treffen,« heißt es in einer Presseerklärung vom Samstag. Das Vertrauen in den Rechtsstaat enthebe niemanden seiner Pflicht zu verantwortlichem Handeln, wenn begründete Zweifel bestünden, daß rechtliche Bestimmungen dem Schicksal von Menschen nicht gerecht würden.
Das Lübecker Bündnis gegen Rassismus hat indessen die Polizei aufgefordert, faschistische Täter »rückhaltslos« zu verfolgen und »in diesen Tagen« gefährdete Objekte besonders zu schützen. Die Gruppe reagierte damit darauf, daß in der Nacht zum Freitag Rechtsradikale Hakenkreuze und rassistische sowie antisemitische Parolen an die St. Jürgen-Kapelle geschmiert hatten. Dort wurde am Abend desselben Tages ein Gedenkgottesdienst für die Opfer des Anschlages abgehalten. Im Berliner Bezirk Kreuzberg demonstrierten am Samstag rund 200 Menschen, um an den Brand zu erinnern. Mit der Parole »Den rassistischen Normalzustand durchbrechen« hatte »Özgürlük ve Dayanisma Platformu-Berlin« (Plattform der Freiheit und Solidarität) zu der Aktion aufgerufen.
Wolf-Dieter Vogel