junge Welt, Donnerstag, 20. Februar 1997, Nr. 43, Seite 6, inland
In dem Prozeß um die Brandstiftung in dem Lübecker Flüchtlingsheim sollen die Protokolle der Abhörmaßnahmen gegen den Angeklagten Safwan Eid nicht zur Sprache kommen. Der Vorsitzende Richter Rolf Wilcken sagte am Mittwoch, das Landgericht habe Bedenken, ob die Aufzeichnungen als Beweismittel zulässig seien. Die Staatsanwaltschaft hatte Gebete und Gespräche, die Safwan Eid in der Untersuchungshaft geführt hatte, abhören lassen und anschließend behauptet, aus den Aufzeichnungen ergebe sich ein Geständnis des Angeklagten. Safwan Eid bestreitet das und sagt, seine Gespräche seien falsch übersetzt worden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, am 18. Januar vergangenen Jahres das Feuer in dem Flüchtlingsheim gelegt zu haben, bei dem zehn Menschen getötet wurden.
Der als Zeuge vernommene Sachverständige des Kieler Landeskriminalamtes (LKA), Wolfgang Kohnke, konnte nicht plausibel erklären, warum er eine von der Decke der ersten Etage gefallene Betonplatte nach eigenen Angaben wegräumen ließ, obwohl sie ihn bei seinen Untersuchungen nicht behinderte. Die Platte sei nicht wichtig gewesen, sagte Kohnke. Tatsächlich soll sich die Platte ursprünglich genau oberhalb der Stelle befunden haben, an der die Staatsanwaltschaft die Brandstiftung unterstellt. Wenn diese Mutmaßung richtig wäre, müßte es wichtige Spuren an der Betonplatte geben. Das Beweisstück ist jedoch von der Polizei entsorgt worden, und weder die Staatsanwaltschaft noch die verantwortlichen Kriminalbeamten können angeben, wo es abgeblieben ist.
Christian Eggers, Lübeck