junge Welt, Dienstag, 25. Februar 1997, Nr. 47, Seite 5, inland
Im Lübecker Brandprozeß hat die Verteidigung des Angeklagten Safwan Eid die Beschlagnahme von weiteren möglichen Beweismitteln beantragt, die sich noch bei der Kriminalpolizei befinden. Dabei handele es sich unter anderem um Aussagen von Feuerwehrleuten sowie Nachbarn des abgebrannten Flüchtlingsheims in der Lübecker Hafenstraße, erklärte Rechtsanwältin Gabriele Heinecke am Montag vor dem Landgericht. Der Leiter der zuständigen Polizeidienststelle weigere sich bisher, die Unterlagen für die Hauptverhandlung zur Verfügung zu stellen, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Safwan Eids Verteidigerinnen hatten in den vergangenen Wochen mehrmals die fortwährende Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft kritisiert und das Amtsgericht aufgefordert, diese Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörde zu unterbinden.
Die Staatsanwaltschaft wirft Safwan Eid vor, das Feuer in dem Flüchtlingsheim gelegt zu haben, durch das am 18. Januar vergangenen Jahres zehn Menschen starben. Der Angeklagte beteuert seine Unschuld und geht gemeinsam mit seinen Rechtsanwältinnen von einem neonazistischen Anschlag als Brandursache aus.
Der Sachverständige des Kieler Kriminalamtes, Rainer Kreutz, der mit der Untersuchung der vor der Tür der Brandruine aufgefundenen Briefkastenklappe des Hauses betraut war, erklärte am 41. Verhandlungstag, der Metalldeckel habe keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung aufgewiesen. Die Klappe müsse nach außen gefallen sein, weil die innere Befestigung durch die Hitze des Feuers geschmolzen sei. Die Verteidigung hatte gemutmaßt, daß durch die Briefkastenklappe eventuell ein Brandsatz in das Innere des Hauses geworfen worden sein könnte. Auch ein von ihm untersuchtes Türschloß des hölzernen Vorbaus des Flüchtlingsheims habe keinerlei Spuren einer gewaltsamen Einwirkung gezeigt, betonte der Sachverständige des schleswig-holsteinischen Landeskriminalamtes.
Am Rande des Prozeßtages kam es zu einer erneuten Konfrontation zwischen einem Mitglied der Familie des Angeklagten und dem Vater der Nebenklägerfamilie El-Omari. Der Rechtsanwalt der El-Omaris, Wolfgang Clausen, stellte Strafantrag gegen Mohamed Eid, weil dieser Khalil El-Omari vor Beginn der Verhandlung außerhalb des Gerichtssaals bedroht habe. In einer Erklärung betonten Safwan Eids Verteidigerinnen, von einer einseitigen Bedrohung durch Mohamed Eid könne keine Rede sein. Vielmehr habe Khalil El-Omari vor Mohamed Eid ausgespuckt, und daraufhin sei es zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen. Die Familien, die beide in dem Flüchtlingsheim wohnten, hatten sich in der Vergangenheit des öfteren gestritten, weil die El- Omaris eine Täterschaft Safwan Eids für möglich halten.
Christian Eggers, Lübeck