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junge Welt, Dienstag, 11. März 1997, Nr. 59, Seite 6, inland

>> Achilles bestätigt Lübecker Verteidigung

> Brandschutz-Experte übt herbe Kritik an der Arbeitsweise der Kollegen von der Kriminalpolizei

Mit scharfen Worten kritisierte der Brandschutz-Experte Ernst Achilles im Lübecker Brandprozeß die Arbeit der Kriminalpolizei. »Wahrscheinlich liegen noch heute zahlreiche Beweismittel im niedergebrannten Haus in der Hafenstraße«, sagte der Sachverständige am Montag vor dem Landgericht der Hansestadt. Die Kripo habe sie jedenfalls nicht asserviert. Achilles, der ursprünglich von der Verteidigung des Angeklagten Safwan Eid zu Rate gezogen und später als Gutachter in den Prozeß einbezogen wurde, geht davon aus, daß das tödliche Feuer am 18. Januar 1996 im hölzernen Vorbau des Gebäudes ausgebrochen ist.

Am Montag erläuterte er erneut die zahlreichen Hinweise, die diese These untermauern. So habe er bei seinen Untersuchungen festgestellt, daß sich unterhalb des Briefkastens im Haus drei Brandlöcher befanden. Achilles bekräftigte, was zuvor schon zahlreiche Bewohner und Bewohnerinnen des Hauses ausgesagt haben: Ein kleines Fenster ließ sich durch leichten Druck öffnen. Deshalb ist ein Brandanschlag von außen durchaus wahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft hingegen geht davon aus, daß der Brand im ersten Stock gelegt wurde. Dieser Version erteilte Achilles am Montag eine deutliche Abfuhr. Noch zehn Wochen später habe eine unversehrte Klopapierrolle an der Stelle gehangen, an der nach Meinung der Ermittler die Flammen bis zum Dach durchgebrannt sein sollen. Achilles hält es vielmehr für wahrscheinlich, daß jener Durchbruch oberhalb der angenommenen Brandausbruchsstelle durch herabstürzende Teile bei den Aufräumarbeiten zustande gekommen ist. Eine Bodenplatte, die die These der Ankläger erhärten könnte, »haben die sachverständigen Kollegen ja leider verloren«, sagte Achilles lakonisch.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Experten im vergangenen Jahr vorgeworfen, er stützte sich lediglich auf eine »Ferndiagnose« und sei deshalb nicht ernst zu nehmen. Davon könne keine Rede sein, wies Achilles am Montag die Anschuldigungen zurück. Ihm hätten bereits bei seiner ersten Vorab-Analyse zahlreiche Videos und Fotografien vorgelegen. Doch Anfeindungen war der Sachverständige auch von anderer Seite ausgesetzt. Sowohl er als auch seine Familie seien in »Briefen mit eindeutig rechtsradikalem Hintergrund« bedroht worden. Achilles wird am Mittwoch anhand eines Simulationsgutachtens aufzeigen, wie der Brand entsprechend seiner Untersuchung verlaufen ist.

Wolf Dieter Vogel, Lübeck