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junge Welt, Sonnabend/Sonntag, 29./30. März 1997, Nr. 74, Seite 6, inland

>> Gericht entließ Experten Achilles

> Lübeck: Staatsanwaltschaft fühlt sich in ihrer Kritik an dem Brandsachverständigen bestätigt

»Nur drei Sätze von Herrn Achilles könnten von Relevanz gewesen sein.« Rolf Wilcken, Vorsitzender Richter im Lübecker Brandprozeß, zieht kein gutes Fazit über die Aussagen des Frankfurter Brandschutzexperten. Ernst Achilles, den die Verteidigung des Angeklagten Safwan Eid nach dem tödlichen Feuer in der Flüchtlingsunterkunft der Hansestadt zu Rate gezogen hatte, wurde am vergangenen Mittwoch aus dem Verfahren entlassen. Nun wird der Gutachterstreit um den Brandausbruchsort ohne Achilles weitergehen. Der pensionierte Frankfurter Feuerwehrchef stützt die Theorie der Rechtsanwältinnen, nach der das Feuer im hölzernen Vorbau des Gebäudes ausgebrochen und folgerichtig ein rechtsradikaler Hintergrund des Anschlages nicht auszuschließen ist. »Wesentlichere« Informationen, die diese These bestätigen könnten, erhofft sich Richter Wilcken nun von Rainer Könnecke. Als Sachverständiger und Entwickler des Brandsimulations- programmes Kobra 3-D hat Könnicke in Zusammenarbeit mit Achilles den Verlauf des Feuers am Computer nachgezeichnet.

Staatsanwalt Michael Böckenhauer, der einen Brandausbruch im ersten Stock für wahrscheinlich hält, beantragte bereits kurz nach Beginn des Verfahrens die Entlassung von Achilles wegen Befangenheit. Der Experte habe sich bereits in einer ersten Ferndiagnose öffentlich auf die Theorie der Verteidigung festgelegt und diese mit späteren Untersuchungen nur noch bestätigen wollen, so Böckenhauer, der sich nun durch die Entscheidung des Gerichtes bestätigt fühlte. Einseitigkeit könne man auch anderen Sachverständigen vorwerfen, reagierte Rechtsanwältin Gabriele Heinecke am Mittwoch. Der Sachverständige habe »die Tatsachen benannt«, an diesen »haben wir uns orientieren können«. Dennoch stimmte auch die Verteidigung der Entlassung zu.

(jW)