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junge Welt, Donnerstag, 29. Mai 1997, Nr. 122, Seite 4, politik

>>Kann Safwan Eid bald mit seinem Freispruch rechnen?

>Urteil vermutlich schon Ende Juni. Verteidiger und Staatsanwalt verzichten auf weitere Beweisaufnahme

Der wegen des Großbrandes in einem Lübecker Asylbewerberheim angeklagte Libanese Safwan Eid kann offenbar bald mit einem Freispruch rechnen: Nach 55 Verhandlungstagen verzichteten am Mittwoch sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft vor dem Lübecker Landgericht auf die Verhandlung noch ausstehender Beweisanträge. Auf Befragen des Vorsitzendenden Richters Rolf Wilcken erkärte Staatsanwalt Michael Böckenhauer, die Anklagevertretung sei bereit, am Mittwoch nächster Woche zu plädieren; die Verteidigung nannte als Termin für ihre Schlußvorträge den 18. Juni. Mit dem Urteil ist für Ende Juni zu rechnen. Das Gericht hatte in einer Zwischenbilanz im April bereits erklärt, eine »hinreichende Belastung« des Libanesen sei »nicht gegeben«. Bei der Brandkatastrophe waren am 18. Januar vergangenen Jahres zehn Menschen getötet und 38 verletzt worden, einige von ihnen schwer.

Wilcken betonte, offiziell sei die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen. Zu einer Zeitungsmeldung, die Staatsanwaltschaft werde auf unschuldig plädieren, sagte Staatsanwalt Axel Bieler lediglich, die Journalisten sollten das Plädoyer der Staatsanwaltschaft abwarten. Eid ist der schweren Brandstiftung in dem Heim in der Hansestadt angeklagt; seine Täterschaft hat er stets bestritten.

Die Verhandlung hatte am Mittwoch mit der Bitte der Staatsanwaltschaft an das Gericht begonnen, Hinweise auf ihre Verwertbarkeit zu überprüfen, wonach es Drogengeschäfte zwischen dem Angeklagten und dem Hausbewohner Sylvio Amoussou gegeben habe. Der 27jährige Amoussou war tot im hölzernen Vorbau aufgefunden worden. Um seine Leiche waren Drähte gewickelt. Gerichtsmediziner hatten festgestellt, daß Amoussou nicht durch äußere Gewaltanwendung ums Leben gekommen ist. Nach den der Staatsanwaltschaft zugespielten Hinweisen soll Amoussou geäußert haben, er habe Streit mit Safwan Eid wegen Drogengeschäften und habe Angst, das Asylbewerberheim in der Hafenstraße zu betreten. Der Hinweis war von einem Mann gekommen, der diese Version wiederum von einer Zeugin gehört haben will. Staatsanwalt Böckenhauer betonte, er selbst wolle die ihm von der Polizei überreichten Unterlagen nicht bewerten.

Nach einer längeren Verhandlungspause verkündete Richter Wilcken, das Gericht sehe keinen Anlaß, »hier weiter tätig zu werden«.

Die Verteidigung kritisierte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Ein unschuldiger Mann werde dadurch erneut verdächtigt.

(AFP/jW)


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