junge Welt | Inland |
04.09.1999 |
Proteste gegen erneuten Eid-Prozeß |
Revision vor Kieler Landgericht. Schwer Vorwürfe der Verteidigerinnen gegen Staatsanwaltschaft |
Demonstranten, Presseleute und Polizisten drängten sich am Freitag vor dem Kieler Landgericht. Schon vor Beginn war klar, daß der Revisionsprozeß ein ebenso ungewöhnliches Verfahren werden würde wie der erste Prozeß gegen den libanesischen Flüchtling Safwan Eid. Im Juni 1997 war er von dem Vorwurf freigesprochen worden, er habe sich an dem Brandanschlag in der Lübecker Hafenstraße beteiligt, bei dem im Januar 1996 zehn Menschen starben und 38 verletzt wurden. Während vor dem Gericht und in der Kieler Innenstadt dagegen demonstriert wurde, daß nicht die Grevesmühlener Jugendlichen, die in der Brandnacht direkt vor dem Brandhaus aufgegriffen worden waren und frische Brandspuren im Gesicht aufwiesen, sondern Safwan Eid angeklagt ist, gab es im Gerichtssaal die erste Überraschung. Die Hamburger Anwälte Ursula Erhardt und Mülayim Hüseyin erklärten für das Gericht völlig unerwartet, von den Kindern einiger Überlebender mit der Nebenklage beauftragt zu sein und forderten ihre Zulassung zum Prozeß. Der Hintergrund: Überlebende des Brandanschlags, die im ersten Prozeß als Nebenkläger aufgetreten waren und sich für einen Freispruch Safwan Eids eingesetzt hatten, sind diesmal vom Verfahren ausgeschlossen. Als Nebenkläger teilnehmen dürfen nur die Überlebenden, die sich gegen Safwan Eid gestellt haben. Deren Anwälte hatten auch die Revision von Eids Freispruch vor dem Bundesgerichtshof beantragt. Diese war erfolgreich, weil aus Sicht des BGH die Tonbänder von Gesprächen Safwan Eids, die in seiner U-Haft abgehört wurden, als Beweismittel hätten zugelassen werden müssen. Eids Verteidigerinnen Gabriele Heinecke und Barbara Klawitter erklärten dazu, die Entscheidung des BGH sei auf falscher Grundlage getroffen worden. Die Staatsanwaltschaft habe sich nicht rechtzeitig um eine ordnungsgemäße Übersetzung der Tonbänder bemüht, sonst wäre längst klar gewesen, daß die Bänder keinerlei Verdachtsmomente enthalten. Alle Hinweise auf die Indizien gegen die Grevesmühlener Jugendlichen wurden vom Richter gestoppt. »Die Grevesmühlener sind nicht Gegenstand des Verfahrens, sie sind hier nicht anwaltlich vertreten und können sich nicht wehren.« Richter Strebos zeigte sich von dem Vorwurf, die Staatsanwaltschaft habe unfair und einseitig ermittelt, wenig beeindruckt. »Wenn in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sein sollten, so hat das keinen Sinn, darüber noch nachzusinnen.« Statt dessen warb er für sein geplantes Vorgehen, sich erst einmal einen Überblick über alle belastenden Indizien zu verschaffen »unabhängig davon, ob sie einer kritischen Beweiswürdigung standhalten«. Hielten sie nicht stand, könne der Prozeß sofort beendet werden. Falls sie aber auf eine Täterschaft des Angeklagten schließen ließen, dürften auch entlastende Aussagen zur Sprache kommen. Diese Vorgehensweise lehnte die Verteidigung ob ihrer Einseitigkeit entschieden ab. Sie schlug vor, zunächst die Abhörprotokolle anzuhören, weil sich dann ohnehin zeigen würde, »daß der Prozeß völlig überflüssig ist und nur in einen Freispruch münden kann«. Da auch die Vertreter der Nebenklage das geplante Vorgehen des Richters ablehnten - aus ihrer Sicht sei der Angeklagte bereits ausreichend belastet - wurde sich schließlich auf das von der Verteidigung angeregte Vorgehen geeinigt. Aylin Beßmann, Kiel |