junge Welt | Titel |
22.09.1999 |
Anklage gegen Safwan vor Offenbarungseid |
Erneuter Befangenheitsantrag gegen BKA-Dolmetscher. Von Wolfgang Pomrehn, Kiel |
Stück für Stück zerfällt derzeit vor dem Kieler Landgericht das
Anklagekonstrukt der Lübecker Staatsanwaltschaft gegen Safwan
Eid. Der inzwischen 23jährige wird von den
Verfolgungsbehörden für den Brand eines Flüchtlingsheimes in
Lübeck im Januar 1996 verantwortlich gemacht, bei dem
seinerzeit zehn Menschen ums Leben kamen. In Kiel begann
gestern der vierte Verhandlungstag. Der Prozeß dreht sich derzeit
um Abhörprotokolle, die während Eids Untersuchungshaft von
Gesprächen mit Verwandten angefertigt worden waren. In einem
ersten Verfahren vor dem Lübecker Landgericht, das den
Angeklagten Dabei lösen sich allerdings im Augenblick die Schuldeingeständnisse, die der Lübecker Staatsanwalt Michael Böckenhauer in ihnen entdeckt haben wollte und der Öffentlichkeit präsentierte, nach und nach in Luft auf. So war die angebliche Aussage des Bruders des Angeklagten, »ich habe alle zum Schweigen gebracht«, womit die Mitbewohner gemeint waren, auf den Bändern an der angegebenen Stelle von keinem der beiden Sprachsachverständigen gefunden worden. An einer weiteren Stelle vernahm nur der Übersetzer des Bundeskriminalamtes, von dem auch die Übersetzung stammt, auf die sich die Staatsanwaltschaft stützt, die entsprechende Aussage. Der zweite Sachverständige verstand hingegen etwas vollkommen anderes. Zudem ergab sich auf Nachfrage, daß das, was der BKA-Mann gehörte haben will, auch mit »ich habe sie alle beruhigt« übersetzt werden kann. Die Verteidigung, die bereits zuvor vergeblich beantragt hatte, den BKA-Sachverständigen wegen Befangenheit zu entlassen, sah darin ein weiteres Indiz, daß der Übersetzer vielleicht schon im voraus gewußt haben könnte, was für ein Ergebnis gebraucht wurde. Einen regelrechten Knalleffekt gab es, als der BKA-Mann meinte, eine Richtigstellung machen zu müssen. Wo in seiner Übersetzung steht »... der Angeklagte habe zu meinem Bruder gesagt: >Wenn ich gestehn würde, was würde geschehn?<, sei der Sinn durch einen Computerfehler entstellt. Richtig müsse es heißen >... wenn ich gestorben wäre, was wäre dann geschehen?<.« Der Irrtum sei das Ergebnis eines Konvertierungsfehlers, als er seinen Text auf einem anderen Computer ausdrucken wollte. Auf den Fehler habe er bereits Anfang März '96 aufmerksam gemacht, als er in Lübeck bei einer Vernehmung anwesend war. In den Akten blieb allerdings die ursprünglich falsche Version stehen, und der BKA- Übersetzer machte auch am folgenden Tag, als er erneut zu seiner Übersetzung befragt wurde, nicht noch einmal auf das Problem aufmerksam. Während Staatsanwalt Martens die Sache runterzuspielen versuchte mit dem Hinweis, daß die Lübecker Staatsanwalt sich auf diese Passage in ihrem Beweisantrag gar nicht gestützt habe, fühlte sich die Verteidigung in ihrer Kritik an den Ermittlungen bestätigt. Es sei doch auffällig, so Rechtanwältin Barbara Klawitter, daß Staatsanwalt Böckenhauer eben zu jener Zeit händeringend nach Indizien gesucht habe, um Sawfan Eid anzuklagen. Ihre Kollegin Gabriele Heinecke konnte sich das Nichtverwenden im Beweisantrag auch so erklären, daß Staatsanwalt Böckenhauer von dem Irrtum gewußt habe. Genau das wäre dann auch eine interessante Frage im Hinblick auf die zahlreichen Merkwürdigkeiten in den Ermittlungen der Lübecker Behörden. AP-Foto: Wulf Pfeifer |