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junge Welt Kommentar

03.11.1999
Freispruch - aus Mangel an Beweisen
Justiz hat Safwan Eid entlassen, doch nicht entlastet. Kommentar

Der Prozeß gegen den 24jährigen Libanesen Safwan Eid, der seit dem Brand im Lübecker Asylbewerberheim am 18. Januar 1996 im Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft stand, ist auch im Revisionsverfahren zugunsten des Angeklagten ausgegangen. Unschuldig ist Eid, geht es nach dem Staatsanwalt, jedoch nicht. Der Libanese ist nach dreieinhalb Jahren, davon fast ein halbes Jahr in Untersuchungshaft, aus »Mangel an Beweisen« den Fängen der bundesrepublikanischen Justiz entkommen. Mit dieser Begründung ist das zweifelsohne ein Freispruch zweiter Klasse. Zwar gebe es laut Staatsanwalt Andreas Martins belastende Umstände, die eine Täterschaft oder Mittäterschaft möglich machen, diese sei aber nicht zwingend. Der Richter gestand zumindest zu, daß es gewichtige Argumente für die Unschuld gebe, fügte aber hinzu, daß für eine Verurteilung nicht genügend Anhaltspunkte bestünden. Zurück bleibt die unterschwellige Beschuldigung: Er war's, nur können wir es nicht beweisen.

Doch wie sieht es mit anderen Tatverdächtigen aus? Ist die Tatsache, daß vier rechtsradikale Jugendliche in unmittelbarer Nähe des Brandes mit versengten Haaren und Augenbrauen aufgegriffen wurden, etwa kein Umstand, der auf eine Täterschaft hinweist? Nicht ohne Grund beklagte die Verteidigung Eids, daß diese Spuren im ersten Verfahren in Lübeck nicht genügend gewürdigt worden waren. Tatsache ist, daß diese Spuren nicht gewürdigt werden sollten. Die Nachricht eines weiteren Brandanschlags aus rechtsradikaler Motivation galt es 1996 nach einer Serie solcher Taten um jeden Preis zu vermeiden. Der Preis hierfür waren Freiheit und Menschenrechte eines libanesischen Asylsuchenden.

Auch daß der Staatsanwalt betonte, daß der Lübecker Brandanschlag wohl als ungeklärter Fall in die Kriminalgeschichte eingehen werde, deutet auf ein berufsstanduntypisches Erkenntnisdesinteresse hin. Die Ermittlungen, so muß man demnach annehmen, werden nicht fortgesetzt. Die Rechtsradikalen aus Grevesmühlen, die nach der Tat sogar geständig waren oder absurdeste Begründungen für ihre Brandverletzungen vorgebracht hatten, haben trotz des Freispruchs für Safwan Eid nichts mehr zu befürchten. Der feige Mord an zehn Flüchtlingen wird nie gesühnt werden.

Über den Libanesen Safwan Eid wurde Recht gesprochen, Gerechtigkeit ist ihm nicht widerfahren.

Harald Neuber

(Siehe auch Bericht aus Kiel)

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