SZ 19.06.97: Freispruch für Safwan Eid gefordert
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Süddeutsche Zeitung 19.06.97, Politik

Verteidigung plädiert im Lübecker Brandstifter-Prozeß

Freispruch für Safwan Eid gefordert

„Den Angeklagten für die Untersuchungshaft entschädigen“

cob. Lübeck (Eigener Bericht) – Im Prozeß um die Brandkatastrophe in einem Lübecker Asylbewerberheim hat die Verteidigung die „vollständige Rehabilitierung“ des Angeklagten Safwan Eid gefordert. Ebenso wie die Staatsanwaltschaft und die meisten Nebenkläger beantragten die beiden Anwältinnen Freispruch. Darüber hinaus verlangten sie für ihren Mandanten eine Haftentschädigung. Eid selbst beteuerte in seinem Schlußwort, daß er unschuldig sei „und die Staatsanwaltschaft das auch genau weiß“. Das Urteil wird am 30. Juni gesprochen.

Bei dem Feuer waren am 18. Januar 1996 zehn Menschen ums Leben gekommen und 38 verletzt worden. Der libanesische Hausbewohner Safwan Eid steht seit September 1996 unter dem Verdacht der schweren Brandstiftung vor Gericht und saß bis 2. Juli 1997 in Untersuchungshaft. Bei dem Antrag auf Haftenschädigung gehe es „nicht um Geld“, sagte die Verteidigung. Vielmehr hätte Eid „zu keinem Zeitpunkt“ der Vorwurf gemacht werden dürfen, ein Brandstifter zu sein. Nicht der „Schatten eines Zweifels“ dürfe an ihm hängenbleiben.

Der Staatsanwaltschaft und den Richtern, die für Eid Untersuchungshaft angeordnet hatten, warf die Verteidigung „rechtswidrige Methoden“ vor. Vorwürfe in der Anklageschrift und Begründungen in den Haftbefehlen stünden in Widerspruch zum Inhalt der Akten und zum objektiven Brandverlauf. Die Ankläger hätten alles getan, um „Eids Aufenthalt in Deutschland unmöglich zu machen“. Um „ihre eigene Unfähigkeit oder Schlimmeres“ zu verdecken, hätten sie „Unmengen von Schmutz“ über den Angeklagten ausgekippt.

Den Kronzeugen der Anklage, der von Eid nach eigenen Angaben das Geständnis „Wir warn’s“ gehört hatte, nannte Verteidigerin Gabriele Heinecke eine „schillernde Figur“. Entscheidend aber sei, daß das angebliche Geständnis nicht zum objektiven Brandverlauf passe. Auch die Verteidigung geht inzwischen davon aus, daß es einen Brandherd im ersten Stock des Hauses gegeben hat. Sie ist aber weiterhin davon überzeugt, daß auch im Vorbau ein Feuer gelegt worden ist. Die Gutachter der Anklage hätten diese Möglichkeit nicht ausreichend untersucht. Ihre Theorie, daß sich das Feuer über herabfallende Treppenteile von oben nach unten hätte ausbreiten können, sei zusammengebrochen.

Die Verteidigung forderte die Justiz dazu auf, „offene Fragen weiter zu ermitteln“. Nach wie vor hält sie vier junge Männer aus Grevesmühlen, von denen drei in der Nähe des Asylbewerberheims entdeckt wurden, für dringend tatverdächtig. Sie hätten „typische Brandstifterspuren“ an Haaren und Augenbrauen getragen. Das Alibi, das zu ihrer Freilassung geführt hatte, sei „löchrig“.

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