2 a Kls (29/96)
14.04.1997
In der Strafsache
g e g e n
Safwan E i d
wird beantragt,
die Akte AG Lübeck, Az. 90 Ls 7/97, beizuziehen und der Verteidigung Akteneinsicht zu ermöglichen.
In dem Verfahren mit dem Az. 90 Ls 7/97 (Az. StA: 710 Js 12485/96) sind Heiko P., Dirk T., Maik W. und Rene B. u.a. angeklagt, in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1996 in Lübeck den VW Golf I des Geschädigten T. J. entwendet zu haben, mit dem Dirk T. am Brandhaus in der Hafenstraße vorbei nach Grevesmühlen gefahren sein soll. Dirk T., Rene B. und Maik W. hatten am 18.01.1996 frische Sengspuren im Gesicht.
Am 10.04.1997 fand vor dem AG Lübeck - Schöffengericht - die Hauptverhandlung gegen die genannten Personen und den Neffen des P., Marco K., statt. Marco K. wurde durch RA Haage verteidigt, der hier die Nebenklägerin Nada El Omari vertritt, seitdem der Nebenkläger Bunga ihm Anfang Oktober 1996 die Vollmacht entzog, weil er entgegen den Interessen seines Mandanten und ohne Beratung mit ihm einen Ablehnungsantrag gegen einen der Sachverständigen stellte. Marco K. hat geäußert, daß sich RA Haage diesem Angeklagten als Verteidiger aktiv angedient hat.
Zu der Hauptverhandlung am 10.04.1997 waren weder Maik W. noch Rene B. erschienen. Der Vorsitzende des Schöffengerichts teilte mit, B. halte sich nicht mehr in Grevesmühlen auf und sei unauffindbar. Für Maik W. ergibt sich Gleiches schon aus Spur 63.
Obwohl anläßlich einer früheren Terminierung bereits ein Vorführungsbefehl erfolglos war, wurde vom Sitzungsvertreter der StA, OStA Möller, kein Haftbefehlsantrag nach § 230 Abs.2 StPO gestellt.
Die Angeklagten im Verfahren Az. 90 Ls 7/97 haben sich in der Hauptverhandlung am 10.04.1997 zur Sache eingelassen. Heiko P. und Dirk T. bestätigten, daß sie gemeinsam mit Rene B. und Maik W. in der Nacht vom 17. auf den 18.01.1996 von Grevesmühlen nach Lübeck gefahren seien. P. beschrieb, man habe den Weg über die Autobahn genommen und sei über Schlutup und die BAB-Ausfahrt Moisling nach Buntekuh gekommen, habe eine Tiefgarage und danach den VW Golf GTI aufgebrochen. Den Golf GTI habe Dirk T. nach Grevesmühlen gefahren. Die anderen drei seien sodann mit dem Wartburg zurück nach Grevesmühlen gefahren, um das gestohlene Fahrzeug auszuschlachten. Von einem Betanken des Wartburgs des B. an der Shell-Tankstelle "Padelügger Weg" war keine Rede. Während der weiteren Befragung durch den Vorsitzenden Richter lief P. hochrot an und bekam einen Weinkrampf, so daß die Sitzung unterbrochen werden mußte.
Das Betanken des Wartburgs an der Shell-Tankstelle "Padelügger Weg" hat die Staatsanwaltschaft immer als Alibi für die Grevesmühlener benutzt. Wenn aber die zunächst Verdächtigten diese Version selbst nicht mehr aufrecht erhalten, hat sich das Alibi erledigt.
Vor diesem Hintergrund gewinnen drei Aussagen aus Band I der Akten eine besondere Bedeutung:
1. In Band I, Bl. 42 ff.(46) ist in der Aussage des P. im Rahmen der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 18.01.1996 zu lesen:
"Der Rene wendete den Wartburg und fuhr dann über die Schienen rechts auf einen Seitenstreifen. Er wollte sich unbedingt angucken, was hier passiert war. Wir verließen alle drei das Fahrzeug, blieben jedoch direkt am Fahrzeug stehen. Wir konnten von dieser Stelle aus beobachten, wie zunächst eine Frau mit einem Kind im Arm aus einem der Stockwerke auf ein Sprungkissen sprangen...Wenn ich hier danach gefragt werde, so bin ich der Meinung, daß die Leute aus der dritten Etage heraussprangen."
2. In Band I, Bl.90 ff. (93) ist als Aussage der Kerstin B., der Freundin des Dirk T., anläßlich der polizeilichen Befragung am 18.01.1996 festgehalten:
"Maik hat mir erzählt, daß er mit einem Typen, wahrscheinlich ist damit aber der B. gemeint, durch die Stadt gelaufen war. Sie waren dann an das Feuer gekommen. Sie haben dann noch gesehen, daß dort bei dem Feuer unten auf dem Boden jemand gelegen hat, der noch brannte."
3. Und in Band I, Bl. 100 ff. (108) soll T. bei seiner polizeilichen Vernehmung am 19.01.196 (Beginn 0.20 Uhr) gesagt haben:
"Maik erzählte mir, in Lübeck ist was los, da brennt ein Haus, sie hätten dort eine verbrannte Leiche gesehen und Menschen seien aus dem Haus rausgesprungen."
Die Beschreibung des P. bezüglich der mit Kind aus dem Haus springenden Frau paßt nur -die Verteidigung hat dies schon am 03.02.1997 erklärt- zu einem sehr frühen Ereignis, nämlich zum tödlichen Sturz der Monica Maiamba Bunga und ihrer 7-jährigen Tochter Nsuzana. Dieser fand wahrscheinlich statt, ehe andere Bewohner das Haus verlassen hatten.
Die noch brennende Person, die Maik W. nach dem Bericht der Zeugin B. "unten auf dem Boden" gesehen hat, kann nur Sylvio Amoussou gewesen sein. Die anderen Personen, die von Feuer ergriffen wurden, befanden sich im 2. Stock. Sylvio Amoussou verbrannte aber im hölzernen Vorbau - wenn man nicht davon ausgehen will, daß er nach seinem Tod etwa von draußen dorthin geschafft worden ist.
Auch bei der "verbrannten Leiche", von der T. in seiner Aussage am 19.01.1996 berichtet, kann es sich nur um Sylvio Amoussou handeln. Es kann ausgeschlossen werden, daß dem Bericht ein Zeitpunkt nach Bergung der Leichen aus dem Haus zugrunde lag, nachdem die Leichen aus dem Haus geborgen wurden. Denn da waren die Grevesmühlener Jugendlichen nicht mehr vor dem Haus in der Hafenstraße 52.
Die zitierten Aussagen bedeuten, daß die Grevesmühlener zu einem Zeitpunkt, der mit dem Beginn des Brandes in engem Zusammenhang stehen dürfte, zumindest am oder im Vorbau gewesen sein müßten.
Diese Tatsache war am 18. bzw. 19. Januar 1996 bereits Aktenbestandteil und damit Staatsanwalt Dr. Böckenhauer bekannt. Dies mag der Grund dafür sein, daß in den Akten ein Vermerk der Polizei oder der Staatsanwaltschaft über Anordnung und Gründe der Entlassung der Grevesmühlener fehlen. Denn hätte der sachbearbeitende Staatsanwalt einen entsprechenden Vermerk gemacht, hätte er sich damit und mit dem Haftbefehlsantrag gegen Safwan Eid in Widerspruch zu dem Ermittlungsergebnis setzen müssen.
Die Verteidigung hat zu überprüfen, ob sich aus den Akten Az. 90 Ls 7/97 weiter offensichtlich Entlastendes ergibt.
Heinecke | Klawitter |
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