2a Kls (29/96)
16.04.1997
In der Strafsache
gegen
Herrn Safwan Eid
wird beantragt,
Herrn Rodger Ide, Birmingham, Großbritannien, an Gerichtsstelle anwesend und ausweislich der beigefügten Ladung durch Herrn Gerichtsvollzieher Stark am 16.04.1997 zur Hauptverhandlung am 16.04.1997 als Sachverständiger namens der Verteidigung geladen, als Sachverständigen zu vernehmen;
Der Sachverständige Rodger Ide ist Bachelor of Science seit 1963, Chartered Chemist (eingetragener Chemiker) seit 1966, Mitglied der Royal Society of Chemistry seit 1966, Chartered Biologist (eingetragener Biologe) und Mitglied des Institute of Biology (Institut für Biologie) seit 1981, Mitglied der Institution of Fire Engineers (Verband der Brandtechniker) seit 1979. Er war für die Dauer von 27 Jahren in der forensischen Wissenschaft als kriminaltechnischer Wissenschaftler tätig, während der überwiegenden Zeit am Home Service Forensic Science Laboratory Birmingham (Kriminaltechnisches Labor des Innenministeriums in Birmingham). Das Home Office ist eine Abteilung der Britischen Regierung, die, neben anderen Aufgaben, die Polizeikräfte, die Kräfte der Feuerwehr und den Strafvollzug von England und Wales verwaltet und führt.
Während seiner Tätigkeit im kriminaltechnischen Dienst des Innenministriums (Home Service Office) untersuchte er viele Fälle. Herr Ide schätzt, daß er im Rahmen dieser Tätigkeit Untersuchungsberichte und Stellungnahme in ca. 5000 Fällen erstellt hat. Während der letzten Jahre seiner Tätigkeit im Home Service Office war er Principal Scientific Officer (Leitender Wissenschaftler) und überprüfte in dieser Zeit etwa 15000 Untersuchungsberichte, die von anderen Mitarbeitern des forensischen Dienstes erstellt worden waren. Von den ca. 5000 Fällen, die Herr Ide untersuchte und bearbeitete, betrafen etwa 1000 Fälle Feuer oder Explosionen. Herr Ide untersuchte in etlichen Fällen die Brandstätte, überwiegend erstellte er Laboruntersuchungen.
Während eines Zeitraums von etwa drei Jahren innerhalb seiner Tätigkeit in der forensischen Wissenschaft beteiligte er sich als freiwilliger Feuerwehrmann an der Tätigkeit einer örtlichen Feuerwehrbrigade, um seine Erfahrung im Rahmen von Branduntersuchungen zu erweitern.
Herr Ide ist Mitautor des Buches "Principles of Fire Investigation" (Prinzipien der Branduntersuchung) und hat das Kapitel zur Branduntersuchung für das Buch "Essentials of Forensic Science" (Essentialien der Kriminaltechnik) der Royal Society of Chemistry (Königliche Gesellschaft für Chemie) geschrieben, das in Kürze erscheinen wird.
Herr Ide unterrichtet Mitarbeiter der Feuerwehr, Kriminalbeamte, Spurensicherungsbeamte, Kriminaltechniker, Studenten, Mitarbeiter von Versicherungen und Archäologen im Bereich Branduntersuchung an Universitäten und Fach- bzw. Hochschulen, wie z.B. der Britischen Feuerwehrhochschule in Moreton in the Marsh und der Britischen Fachschule für Spurensicherung in Durham. Herr Ide ist Gastdozent an den Universitäten von Edinburgh, Birmingham und Bournemouth. Er hat an zahlreichen anderen Universitäten Vorträge gehalten, sowohl in Großbritannien als auch im Ausland. Herr Ide ist Mitglied im Rat der Britischen Kriminaltechnischen Gesellschaft (Council of the British Forensic Science Society) und Mitglied im Ausschuß des U.K. Forum of Arson Investigators.
Im Rahmen seiner Tätigkeiten hat er Möbel, Gebäude, Fahrzeuge, Kleidung und andere Gegenstände, auch unter Zuhilfenahme von Brandsätzen, in Brand gesetzt. Diese Versuche dienten einerseits der Ausbildung anderer Brandsachverständiger, andererseits der Überprüfung von Theorien zur möglichen Brandausbreitung und zur Untersuchung von Brandschäden in bestimmten Fällen.
In Ergänzung seiner Tätigkeit im Rahmen der Branduntersuchung und Untersuchung von Explosionen hat Herr Ide Untersuchungen und Versuche zur Erforschung anderer Delikte durchgeführt wie z.B. Mord, Vergewaltigung, Einbruch, Sachbeschädigung und Betrug, aber auch zu Unfällen und Selbstmord.
Der Sachverständige Rodger Ide wird bekunden, daß er den Brandort Hafenstraße 52 am 04.12.1996 und 25.03.1997 aufgesucht und in Augenschein genommen hat. Er wird weiter bekunden, daß ihm die Untersuchungsberichte des LKA vom 01.02.1996, 12.03.1996, 15.04.1996, 07.03.1996, 27.08.1996, 16.10.1996, 21.08.1996 und 03.05.1996 in Übersetzung vorliegen. Schließlich wird er bekunden, daß er die Asservate He1, aus Asservat 30b den Kaftan, Spur 13 (Teil der Hauseingangstür) sowie ein Video und u.a. die Fotomappen Spusi II und III in Augenschein genommen hat.
Zur Untersuchungsmethode wird er bekunden, daß es keine absolut zuverlässige Methode zur Feststellung eines Brandausbruchsortes gibt. Vielmehr gibt es Methoden, die auf dem Verhältnis von Zeit und Temperatur beruhen, Methoden, die sich an der Geometrie orientieren, Methoden, die sich an menschlichen Hinweisen orientieren, Methoden, die die Entwicklung des Feuers untersuchen und solche, die Fremdeinwirkung überprüfen.
Auf der Basis aller von ihm herangezogenen Untersuchungsmethoden, seiner eigenen Untersuchungen und der ihm erteilten Informationen wird er bekunden, daß folgende Schlußfolgerungen zu ziehen sind:
- Ein Brandausbruchsort ist zweifelsfrei im nördlichen Teil des hölzernen Vorbaus zu konstatieren.
- Bei Annahme eines alleinigen Brandausbruchs im Vorbau sind die im westlichen Flur (Seite Hafenstraße) im 1. Stock vorhandenen Brandschäden nur bei Zugrundelegung bestimmter Bedingungen zu erklären. Auszuschließen ist ein alleiniger Brandausbruch im Vorbau nicht.
- Auszuschließen ist, daß die Brandschäden im Vorbau und im übrigen Gebäude durch einen alleinigen Brandausbruchsort im westlichen Flur des 1. Stockes entstanden sind. Mit der Annahme eines einzigen Brandausbruchsortes an der von Dr. Herdejürgen und Dr. van Bebber angegebenen Stelle sind die Brandschäden im Vorbau und in den übrigen Gebäudeteilen nicht in Einklang zu bringen.
- Es gibt keinerlei wissenschaftlichen Beweis für das Verwenden von Brandbeschleunigern. Die Hitzeschädigungen unter der Spanplatte im 1. Stock, westlicher Flur, lassen bei wissenschaftlicher Betrachtung keinerlei Schluß auf die Verwendung von Brandbeschleunigern an dieser Stelle zu. Die Brandspuren, die Dr. Herdejürgen als Indiz für die Verwendung von flüssigem Brandbeschleuniger (Benzin) angesehen hat, sind kein solches Indiz.
- Nach Auffassung des Sachverständigen könnte es zwei Brandherde gegeben haben: im nördlichen Teil des hölzernen Vorbaus und in der nördlichen Hälfte des westlichen Flures im 1. Stock.
- Der Brand kann nicht nur durch Ausgießen und Entzünden brennbarer Flüssigkeit auf den Treppen zwischen den einzelnen Geschossen erklärt werden.
- Die Aussage des Zeugen Leonhardt, es sei Benzin gegen eine Tür gekippt, angezündet worden und dann sei das brennend die Treppe runtergelaufen und mit einem Mal habe die Treppe in Flammen gestanden, ist mit den Brandspuren nicht in Übereinstimmung zu bringen.
- Die Aussage des Zeugen Leonhardt läßt sich mit der Theorie des LKA und BKA, d.h. einem Brandausbruchsort im westlichen Flur des 1. Stocks, nicht in Einklang bringen.
- Die Untersuchung der Reste der Hauseingangstür (Spur 13) läßt nicht den Schluß zu, daß die Durchbrennungen hinter der Hauseingangstür im Fußboden des Vorbaus durch ein Abbrennen der Hauseingangstür hervorgerufen worden sind.
- Es ist mehr als unwahrscheinlich, daß die Holztreppe im Haus Hafenstraße 52 innerhalb einer Zeit von 5-9 Minuten verbrannte und herunterstürzte.
- Der Kaftan (Ass. 30b) weist keine Hitzeschäden auf. Solche wären aber zu erwarten, wenn der Träger des Kaftans Benzin ausgeschüttet und angezündet hätte.
Heinecke | Klawitter |
Rechtsanwältin | Rechtsanwältin |