An das
Landgericht
23568 Lübeck
12.02.97
- 2a KLa 29/96 -
In der Strafsache
gegen
Herrn Safwan Eid
wird beantragt,
1. die Vernehmungsprotokolle und sonstigen Ermittlungsvorgänge im Zusammenhang mit dem Beweisthema. "wer" von den Feuerwehrleuten "welche Fenster und Türen eingeschlagen oder sonstwie beschädigt hat", beizuziehen und der Verteidigung Einsicht zu gewähren;
2. der Staatsanwaltschaft aufzugeben, bekannt zu geben, welche weiteren Ermittlungskomplexe und Beweisthemen zur zeit noch von der SoKo 1/96 -. parallel zur gerichtlichen Beweisaufnahme - "bearbeitet" werden;
3. der Staatsanwaltschaft aufzugeben, dafür Sorge zu tragen, daß weitere polizeiliche Ermittlungshandlungen nur noch im ausdrücklichen Auftrag des Gerichts vorgenommen werden
Gründe:
Nachdem die Verteidigung in den Akten vergeblich nach
einer Lichtbildmappe, erstellt durch KOK Obenaus am 16.10.1996
gesucht hat, ist diese am 10.2.1997 "aufgetaucht",
verbunden mit einem Vermerk von KHK Stebner, in dem ganz nebenbei
mitgeteilt wird, derzeit würden Befragungen/Vernehmungen von
Feuerwehrleuten durchgeführt.
Im Vermerk heißt es wörtlich: "(...) wurde die Fotomappe Obenaus seitens der SoKo fortan benutzt, um anhand dieser Lichtbilder die Befragungen/Vernehmungen unter den Feuerwehrleuten durchzuführen, wer welche Fenster und Türen eingeschlagen oder sonstwie beschädigt bat. Dieser Komplex der Befragung der Feuerwehrleute ist bis heute (der Vermerk datiert vom 5.2.1997) noch nicht abgeschlossen, so daß die Fotomappe des KOK Obenaus hier noch benötigt wird (...)"
Der vorstehend wiedergegebene Inhalt des Vermerkes vom 5.2.1997 gibt der Verteidigung erneut Veranlassung, die Fortführung polizeilicher Ermittlungen nach Abschluß der Ermittlungen durch die StA und während der laufenden gerichtlichen Beweisaufnahme zu rügen. Zwar hat das erkennende Gericht in dankenswerter Offenheit im Karmmerbeschluß vom 5.2.1997 seine Meinung zu den die gerichtliche Beweisaufnahme störenden Ermittlungshandlungen der Kriminalpolizei zum Ausdruck gebracht, dieser Beschluß betraf jedoch in erster Linie die "Vorwegvernehmungen", also die auf ein bestimmtes Beweisergebnis zielende, polizeiliche Vorbereitung von geladenen Zeugen.
Was im Vermerk des KHK Stebner vom 5.2.1997 offenbart wird,
stellt eine andere, die gerichtliche Beweiserhebung störende und
das Beschleunigungsgebot grob verletzende Ermittlungsmethode dar.
Dies aus folgenden Gründen:
Die Feuerwehrleute, die in der Anklageschrift als Zeugen benannt
wurden, sind bereits vor Gericht vernommen worden. Die
Sitzungsvertreter der StA hätten ausreichend Gelegenheit gehabt,
aufzuklären, ob Feuerwehrleute Fenster eingeschlagen haben oder
nicht. Zum Teil sind die bereits vernommenen Feuerwehrleute im
Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme zu diesem Beweisthema
auch befragt worden, allerdings hat ihre Befragung nicht das von
der StA gewünschte Ergebnis erbracht. Keiner hat bekundet, er
habe versucht, das Bürofenster aufzubrechen.
Unabhängig davon hatten die Ermittlungsbehörden ein Jahr Zeit, aufzuklären, ob und ggfs. welche Spuren die Feuerwehrkräfte verursacht haben. Dies haben sie - vorwerfbar - unterlassen, nachdem am 18.1. oder 19.1.1995 Safwan Eid zum Beschuldigten gemacht worden war. Mit Leonhardt schien der Fall abgeschlossen, vor weiteren, auf der Hand liegenden Ermittlungsansätzen wurden die Augen fest verschlossen. Jetzt, wo auf der Hand liegt, daß das Kalkül der Ermittlungsbehörden nicht aufgeht und nicht aufgehen kann, wird hektische Betriebsamkeit entfaltet.
Dies könnte die Verteidigung begrüßen, würde die jetzt offenbar werdende hektische Betriebsamkeit tatsächlich der Aufklärung dienen. Der Inhalt des Vermerks von KHK Stebner vermittelt jedoch diesen Eindruck nicht. In den jetzt durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen soll nicht aufgeklärt werden, ob die Feuerwehrleute eines oder mehrere Fenster oder Türen aus Anlaß ihres Einsatzes eingeschlagen oder beschädigt haben, nein, aufgeklärt werden soll, welche Fenster und Türen von ihnen eingeschlagen oder beschädigt wurden.
D.h., das Ergebnis des Beweisthemas steht fest, es geht nur noch darum, es bestätigen zu lassen. Nach dieser Methode sind schon, dies hat die Beweisaufnahme ergeben, viele, zuviele Zeugenvernehmungen in Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Es ist bereits jetzt abzusehen, was Inhalt der Vernehmungsprotokolle sein wird:
"Es wurde mit mir von 9 Uhr bis 9.50 Uhr ein Vorgespräch geführt. Ich kann nicht ausschließen, daß ich ein Fenster im Erdgeschoß eingeschlagen habe oder versucht habe, es aufzubrechen."
Unabhängig von dieser höchst tendenziöses Ermittlung, die für sich genommen schon Entsetzen hervorrufen muß, steht zu befürchten, daß der Abschluß der Hauptverhandlung zu Lasten unseres Mandanten verschleppt wird Dies wird an den jetzt laufenden Ermittlungen besonders deutlich. Für den 12.2,1997 ist Herr Witthöft vom LKA geladen. Er hat die Fenster in Erdgeschoß und im Vorbau untersucht. Nach Aktenlage hat er außen am Fenster des Büros Hebelspuren festgestellt. U.a. hierzu soll er vom Gericht befragt werden. Je nach dem Ergebnis seiner Bekundungen steht zu erwarten. daß die Staatsanwaltschaft nach seiner Vernehmung Beweisanträge auf Vernehmung einer unbekannten Zahl von Feuerwehrleuten stellt, die bekunden können, nicht ausschließen zu können - nach Vorgesprächen mit der SoKo -, mit irgendeinem Werkzeug an diesem Fenster "gearbeitet" zu haben.
Die Verteidigung wird, solange die StA an ihrer nicht beweisbaren These, Safwan Eid habe den Brand gelegt. festhält, gezwungen sein, zu beantragen, Herrn Witthöft oder einen anderen Sachverständigen (erneut) zu laden. damit geklärt wird, ob das vermeintlich benutzte Werkzeug die festgestellten Hebelspuren verursacht haben kann.
Zusammengefaßt: Es hat seinen guten Grund, daß die StA den Abschluß der Ermittlungen in den Akten zu vermerken hat, ehe sie Anklage erhebt. Der Angeschuldigte soll wissen, welche Beweismittel ihn belasten und das Gericht soll in die Lage versetzt werden, das Hauptverfahren in angemessener Zeit abzuschließen.
Im vorliegenden Verfahren gewinnt man mehr und mehr den Eindruck, es sei das Gegenteil von dem gewählt worden, was die StPO und die MRK vorsehen Erst einmal Anklage erheben, abwarten, was die gerichtliche Beweisaufnahme ergibt und dann die Ermittlungen aufnehmen. Unser Mandant hat Anspruch auf einen beschleunigten Abschluß des ohnehin zu unrecht gegen ihn eingeleiteten Verfahrens.
RAin Heinecke | RAin Klawitter |