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Online seit:
Sat Nov  7 07:02:00 1998
 

An das
Landgericht
Lübeck

- 2a KLs 29/9E -

In der Strafsache
gegen
Herrn Safwan Eid

nimmt die Verteidigung Bezug auf

und beantragt nunmehr,

durch, geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß schon geladene Zeugen oder Zeugen, deren Ladung nach dem bekannten Ladungsplan des Gerichts unmittelbar bevorsteht, nicht kurz vor ihrer gerichtlichen Vernehmung unter Auswertung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme durch Polizeibeamte im Auftrag der Staatsanwaltschaft "vorwegvernommen" werden.

Veranlassung zu diesem erneuten Antrag der Verteidigung geben die am 13.12.1996 und 8.1.1997 durchgeführten polizeilichen Vernehmungen der Zeugen Schick und Danelzick unter Beteiligung des in der Hauptverhandlung am 20.1.1997 vernommenen Zeugen Heerdt, die ausweislich Band XX, Bl. 9 der Akte im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführt wurden.

Die diesbezüglichen Ermittlungsprotokolle sind der Verteidigung am 29.1.1997 vorgelegt worden. Abgesehen davon, daß es schon eigentümlich ist, daß die Ermittlungsbehörden jetzt während der laufenden Hauptverhandlung - fortlaufend Aufklärungsbedarf sehen, den sie im Ermittlungsverfahren nicht gesehen haben. abgesehen auch davon, daß es schon leicht an Zumutung grenzt, den Verfahrensbeteiligten eine Woche vor den geplanten gerichtlichen Zeugenvernehmungen neue Vernehmungsprotokolle von Zeugen vorzulegen, die im Ermittlungsverfahren vom ersten Tag an zur Verfügung standen und befragt wurden, ist jetzt allerdings festzustellen daß die Ermittlungstätigkeit der Polizei - faktisch parallel zur gerichtlichen Beweisaufnahme - letztere nachhaltig stört.

Insoweit hat sich die Sachlage im Gegensatz zur Situation, die den gerichtlichen Beschlüssen vom 16.10.1996 und 11.11.1996 zugrundelag, verändert. Es stellt eine Störung der gerichtlichen Beweisaufnahme dar, wenn Zeugen, wie bei den Herren Schick und Danelzik geschehen, kurz vor ihrer gerichtlichen Vernehmung unter Einbeziehung des bisherigen Ergebnisses der gerichtlichen Beweisaufnahme "vorwegvernommen" werden.

Die Störung ergibt sich aus folgendem:

Mit beiden Zeugen ist ein Vorgespräch geführt worden. Was ihnen in diesem Vorgespräch vermittelt worden ist, ist - wie bei der Kripo Lübeck offenkundig üblich - nicht Bestandteil des Protokolls geworden. Es ist daher auch nicht festzustellen, welche Berichte über Angaben von Zeugen aus der Hauptverhandlung ihnen gegeben worden sind, befürchtet werden muß alles mögliche.

Die behandelten Themen ergeben sich aus dem Vermerk vom 20.1.1997 (XX, 9) und den Vernehmungsprotokollen und lassen deutlich erkennen, daß es der Staatsanwaltschaft bei ihrem Vernehmungsauftrag darum ging, die Zeugen bereits vor ihrer gerichtlichen Vernehmung mit bestimmten Ergebnissen aus der gerichtlichen Beweisaufnahme zu konfrontieren und ihre diesbezüglichen Aussagen möglichst zeitnah zur gerichtlichen Vernehmung zu fixieren. Dies gilt für das Thema "Streitigkeiten im Haus" ebenso wie für das Thema "Aufbau der Haustür und Möglichkeiten des Posteinwurfs" oder das Thema "Zustand des hinteren Fensters auf der linken Seite den Vorbaus" (so aufgeführt im Vermerk Band XX, Bl. 9).

Ein solches procedere verstößt gegen §§ 243 II, 58 I StPO, weil Zeugen vor ihrer gerichtlichen Vernehmung nicht darüber unterrichtet werden sollen, was die vor ihnen in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen bekundet haben. Die Staatsanwaltschaft sollte auch nicht den Anschein setzen, solches geschehe. Vergegenwärtigt man sich den Inhalt des Vermerks vom 20.l.1997 (XX, 9) und die Themen der neuerlichen polizeilichen Vernehmung, ist der Anschein auf jeden Fall gesetzt.

Zum weiteren ist mindestens jetzt das Prinzip der Waffengleichheit verletzt, weil die Verteidigung von diesen polizeilichen Vernehmungen ausgeschlossen ist und ihr ein Anwesenheits- und Fragerecht nicht zusteht.

Sollte das Gericht derartige Vorwegvernehmungen nicht unterbinden, sieht sich die Verteidigung, um das Prinzip der Waffengleichheit zu wahren, gezwungen, ihrerseits die vom Gericht geladenen Zeugen und die Zeugen, deren gerichtliche Ladung nach dem Ladungsplan bevorsteht, ebenfalls vorab zu vernehmen.

RAin Heinecke RAin Klawitter