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Fri Sep  4 00:17:35 1998
 

Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle


Nr. 58/1998

Bundesgerichtshof hebt Freispruch im
Verfahren gegen Safwan Eid auf

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat den Freispruch in dem Verfahren gegen Safwan Eid aufgehoben. Dem Angeklagten, einem libanesischen Asylbewerber, wird zur Last gelegt, am 18. Januar 1996 gegen 3.30 Uhr gemeinschaftlich mit anderen nicht ermittelten Personen das als Asylbewerberheim genutzte Haus in der Hafenstraße 52 in Lübeck in Brand gesetzt zu haben. Bei dem anschließenden Feuer kamen zehn Menschen ums Leben, 38 Personen erlitten teilweise schwere Verletzungen. Das Landgericht Lübeck hat den Angeklagten mit Urteil vom 30. Juni 1997 vom Vorwurf der besonders schweren Brandstiftung und der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Es hat sich von seiner Beteiligung an dem Brandanschlag nicht in einem die Verurteilung rechtfertigenden Maße überzeugen können.

Gegen dieses Urteil haben sieben Nebenkläger, Angehörige eines bei dem Brand Verstorbenen oder selbst Verletzte, Revision eingelegt.

Drei dieser Nebenkläger haben mit ihren Revisionen keinen Erfolg. Sie haben lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben. Diese führt nur dann zur Aufhebung des Freispruchs, wenn die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Prüfungsgrundlage sind dabei die von ihm getroffenen Feststellungen. Rechtsfehler haben sich insoweit nicht ergeben.

Auf die Revisionen der übrigen vier Nebenkläger hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben. Diese Beschwerdeführer haben mit Erfolg einen Verfahrensfehler gerügt. Die Staatsanwaltschaft hatte in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht beantragt, Tonbänder abzuspielen und auszuwerten, die über Gespräche aufgenommen worden sind, die der Angeklagte als Untersuchungsgefangener in der Besucherzelle der Justizvollzugsanstalt mit Angehörigen geführt hatte. Nach der Antragsbegründung ergeben sich aus den Gesprächen den Angeklagten belastende Gesichtspunkte. Den Beweisantrag hat das Landgericht im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Beweiserhebung sei trotz richterlicher Anordnung unzulässig, weil die Besucherzelle der Justizvollzugsanstalt als durch Art. 13 GG geschützte Wohnung anzusehen und das Abhören von Gesprächen daher nicht erlaubt gewesen sei.

Die Verfahrensrüge ist in zulässiger Weise erhoben und in der Sache begründet. Die Besucherzelle einer Justizvollzugsanstalt ist keine Wohnung im Sinne Art. 13 GG. Die Besuche wurden, wie auch der Angeklagte und seine Besucher wußten, optisch und akustisch durch einen anwesenden Beamten überwacht. Das Hausrecht liegt nicht bei dem Gefangenen, sondern bei der Behörde. Die die Überwachung anordnenden richterlichen Beschlüsse greifen wegen der Schwere des aufzuklärenden Tatvorwurfs auch unter Berücksichtigung der besonderen Situation des Untersuchungsgefangenen in dessen Persönlichkeitsrecht nicht in unverhältnismäßiger Art und Weise ein.

Der Bundesgerichtshof hat entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht ausschließen können, daß der Freispruch auf der gerügten Gesetzesverletzung beruht. Das Landgericht hat gewichtige, den Angeklagten belastende Umstände festgestellt. So hat es einen technischen Defekt als Brandursache und eine Brandlegung von außen ausgeschlossen. Nach seinen Feststellungen wurde das Feuer mit Hilfe eines Brandlegungsmittels im Flur des ersten Stockwerks entzündet. Ein leerer Benzinkanister wurde in der Wohnung der Familie des Angeklagten gefunden. Der Angeklagte hat gegenüber dem Rettungssanitäter Leonhard während der Fahrt in das Krankenhaus geäußert „wir waren’s" und eine Begründung für die Brandlegung gegeben. Auf dem Krankenhausgelände hat er seinen Kaftan ohne nachvollziehbare Begründung in einen Container geworfen. Unter diesen Umständen läßt sich nicht ausschließen - und darauf kommt es revisionsrechtlich entscheidend an -, daß das Landgericht bei der Verwertung der aufgezeichneten Gespräche eine Beteiligung des Angeklagten an dem Brandanschlag festgestellt hätte. Die Frage, inwieweit sich aus den Gesprächen auch den Angeklagten entlastende Gesichtspunkte ergeben, hat bei dieser Beweislage nicht das Revisionsgericht, sondern der Tatrichter zu beurteilen. Auch der Nebenkläger, das heißt der durch eine schwere Straftat Verletzte oder der Angehörige des durch eine Straftat Getöteten, hat einen Anspruch darauf, daß alle zulässigen Beweise erhoben werden, um den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären.

Zur neuen Verhandlung und Entscheidung hat der 3. Strafsenat die Sache an das Landgericht Kiel zurückverwiesen.

Urteil vom 24. Juli 1998 - 3 StR 78/98

Karlsruhe, den 24. Juli 1998


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