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Datum=15.01.1997; Seite=8; Artikel=neuheim; Schlagwort=Brände/Asyl/KORR/;


Titel: LÜBECK (lno).

Text:

Sie glaubten in Lübeck eine neue Heimat gefunden zu haben. Doch am 18. Januar 1996, bei dem verheerenden Feuer in einem Lübecker Asylbewerberheim, verloren sie fast alles: das Dach über dem Kopf, ihre zumeist bescheidene Habe, Freunde, Kinder, Ehepartner. Ein Jahr nach der Brandkatastrophe stehen durch den Prozeß in Lübecker die Tat und der als Brandstifter angeklagte ehemalige Bewohner Safwan Eid im Mittelpunkt. Die Opfer sind darüber fast in den Hintergrund getreten.

Alle haben Wohnungen, der Schmerz bleibt

Materiellen Verluste kann man ersetzen. Alle haben inzwischen eigene Wohnungen. Möbel, Hausrat, Kleidung, Spielzeug für die Kinder wurden aus den Spenden in Höhe von rund 250000 Mark bezahlt, die in den Wochen nach dem Brand aus ganz Deutschland eingingen. Das Diakonische Werk, das alle in Lübeck lebenden Asylbewerber betreut, bemühte sich auch, bei der Bewältigung der schrecklichen Erlebnisse zu helfen. Für die Kinder gab es in Schule und Kindergarten psychologische Betreuung durch Mitarbeiter der Erziehungsberatung, erklärt Referatsleiter Jörg Nowakowski. , der Referatsleiter beim Diakonischen Werk.

Die Erwachsenen dagegen müssen aus eigener Kraft mit dem Schmerz fertigwerden. Am schwersten tut sich dabei offenbar Jean-Daniel Makodila. Der Mann aus Zaire verlor bei dem Brand seine Ehefrau und fünf Kinder im Alter zwischen drei und 17 Jahren. Ende September brach er im Gerichtssaal zusammen, seither blieb Makodila dem Brandprozeß fern, hat sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Anders Diavusumuca Joao Bunga. Seine Frau und seine siebenjährige Tochter starben, als sie aus Angst vor den Flammen aus dem dritten Stock auf die Straße sprangen. Der 32 Jahre alte Mechaniker aus Angola hat als einziger Strafantrag gegen Unbekannt gestellt und läßt keinen Zweifel daran, daß er Safwan Eid für unschuldig hält. "Ich bin der Meinung, daß der Brand von außen gelegt wurde," erklärte auch Kibolo Katuta (37) aus Zaire vor Gericht, und auch Ottodzo Agonglovi (37), eine Buchhalterin aus Benin antwortete auf eine entsprechende Frage des Staatsanwaltes: "Das waren die Nazis."

Nur vier bisher als Asylbewerber anerkannt

Die Möglichkeit, daß diese Vorstellung von außen, etwa von antirassistischen Gruppierungen, beeinflußt worden sein könnte, weisen die Hausbewohner entschieden zurück. "Wir sind keine Kinder, die man beeinflussen kann," erklärte Katuta auf einer Pressekonferenz auf eine entsprechende Frage. Auffällig ist jedoch, daß die alternative Unterstützerszene sich intensiv nicht nur um den Angeklagten und seine Familie, sondern auch um die Opferzeugen kümmert. Dabei greift sie auch die Hauptsorge der Überlebenden auf, nämlich die Frage, ob sie dauerhaft in Deutschland bleiben können. Nach Angaben von Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller (SPD) sind bislang nur vier der 38 als Asylbewerber anerkannt, weitere elf haben wenigstens befristete Aufenthaltsbefugnisse.

Familie El-Omari steht abseits

Viele der Brandopfer fürchten, daß die Prominenz, die sie durch den Brand erlangt haben, den Sicherheitsbehörden ihrer Heimatländer nicht verborgen geblieben ist. Müßten sie dorthin zurück, so wären sie vielleicht zusätzlichen Repressalien ausgesetzt, befürchten sie. Abseits dieser scheinbar geschlossenen Gruppe der Überlebenden steht nur die Familie El-Omari. Ihr 17jähriger Sohn Rabia kam in dem Feuer um, die Trauer bei seinen Eltern und den acht Geschwistern sitzt tief. Obwohl der Schmerz vor allem die Mutter Assia (43), eine gläubige Muslima, immer wieder überwältigt, harrt die Großfamilie im Gerichtssaal aus. Anders als die übrigen Hausbewohner scheinen die El-Omaris Vertrauen in die Justiz zu haben. "Wir weigern uns, Safwan von vornherein für unschuldig zu halten," lautete die Reaktion der Familie auf einen Brief aus der Unterstützerszene des Angeklagten. Darin wurde sie zum Umschwenken auf die Linie derer aufgefordert wurden, die Eid für unschuldig halten.


Eingang=DPA_15/01_02:16;


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