Lübeck - Im Lübecker Brandprozeß ist der Brandsachverständige Ernst Achilles gestern zum Teil von seiner These abgerückt, wonach das Feuer in dem Flüchtlingsheim an der Hafenstraße im Erdgeschoß ausgebrochen sein soll. Auf Befragen des Gerichts räumte er ein, er könne "nicht ausschließen", daß es möglicherweise "zwei Brandherde" gegeben habe - allerdings sei das aufgrund der Zeugenaussagen unwahrscheinlich.
Achilles hat seine Theorie bislang mit großem Engagement, jedoch ohne nennenswerten Belege verfochten: Ebenso wie die Verteidigung des angeklagten Libanesen Safwan Eid hält er an der Überzeugung fest, daß Attentäter von außen den hölzernen Vorbau des Asylbewerberheims in Brand gesetzt haben. Laut Anklage, die sich im wesentlichen auf die Angaben eines Sanitäters sowie auf Brandgutachten des Landes- und Bundeskriminalamtes stützt, soll Eid das Feuer im ersten Stock gelegt haben.
Ferner verblüffte Achilles die Prozeßbeteiligten mit der Erklärung, er habe bei seiner "brandschutztechnischen Vorabstellungnahme" im März 1996 die Ergebnisse einer Computersimulationsrechnung des Bundeskriminalamtes gekannt. Diese Studie war allerdings später erstellt und den Verfahrensbeteiligten erst im Juli vorgelegt worden.
Des weiteren räumte Achilles ein, der von ihm angegebene
Zeitpunkt des Brandausbruchs ("gegen 3.20 Uhr") beruhe
auf Vermutungen. Zuvor hatte der ebenfalls als Gutachter gehörte
Sachverständige Rainer Könneke erklärt, die frühe
Entstehungsphase des Brandes sei nicht mehr zu rekonstruieren.
Der Computerexperte, der u.a. das vom BKA verwendete
Brandsimulationsverfahren "Kobra 3 D" entwickelt hat,
hatte in Achilles' Auftrag die beiden umstrittenen Versionen des
Brandausbruchs und dessen Verlauf in zwei virtuellen Szenarien
durchgerechnet. Beim angenommenen Brandherd im ersten Stock war
er zum gleichen Ergebnis gelangt wie die Experten von LKA und
BKA: Diese hatten die stärksten Brandspuren in ihren früheren
Gutachten im Flur des ersten Obersgeschosses geortet.
CHR. KRÜMPELMANN
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