Kieler Nachrichten 03.04.1997
Lübeck - Nach Überzeugung der Sachverständigen Silke Löffler, die gestern im Lübecker Brandprozeß ein Computersimulationsgutachten des Bundeskriminalamtes (BKA) erläuterte, ist das Feuer in dem Flüchtlingsheim an der Hafenstraße im Flur des ersten Stocks ausgebrochen. Anders könne man die dort vorgefundenen Brandspuren nicht erklären, so die Gutachterin, die die denkbaren Versionen des Brandausbruchs in zwei virtuellen Szenarien durchgerechnet hatte.
Wäre das Feuer, wie von der Verteidigung des angeklagten Libanesen Safwan Eid vermutet, im hölzernen Vorbau des Erdgeschosses ausgebrochen, so die Diplom-Chemikerin Löffler, hätte dessen Dach erhebliche Schäden aufweisen müssen. Das Vordach des Anbaus war bei dem verheerenden Brand, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen, jedoch weitgehend unbeschädigt geblieben.
Ferner erklärte Löffler, der Zeitpunkt des Brandausbruchs lasse sich nicht mehr klären. Möglicherweise habe es einen Schwelbrand von unbestimmter Dauer gegeben. Damit vertrat die Gutachterin die gleiche Auffassung wie zwei zuvor gehörte Sachverständige von BKA und LKA, auf deren Expertisen sich die Anklage gegen den früheren Hausbewohner Safwan Eid unter anderem stützt.
Doch auch für die Staatsanwälte sind noch etliche Fragen offen. Das offenbarte die anschließende Befragung der Brandgutachter, bei der über die Entflammbarkeit nahezu sämtlicher Bauteile des Hauses mit einer wissenschaftlichen Akribie diskutiert wurde. Als schließlich eine "Brennstoff-Luft-Gemisch-Wolke" zur Sprache kommt, "die sich flüssigkeitsähnlich visuell die Treppe hinunter bewegt haben könnte", was möglicherweise zu "Flammenerscheinungen" geführt hat, holt der Vorsitzende Richter die Debatte mit einem Satz wieder auf den Boden: "Dafür braucht es ja wohl Benzin, damit etwas brennend die Treppe hinunterläuft!"
CHRISTIANE KRÜMPELMANN
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