Kieler Nachrichten 19.06.97
Lübeck - Bevor Verteidigerin Gabriele Heinecke gestern im Prozeß vor dem Lübecker Landgericht Freispruch für ihren Mandanten Safwan Eid beantragte, verteilte sie Streicheleinheiten der besonderen Art.
Adressat war die Staatsanwaltschaft. Die hatte in ihrem Vortrag erklärt, die Verteidigung habe ihrem Schützling geschadet. Über dieses "ungewöhnliche Kompliment" freue sie sich, erklärte die Anwältin. Immerhin habe die "schädliche" Verteidigung dazu geführt, daß auch die Ankläger auf Freispruch plädierten.
Von dieser Spitze abgesehen, argumentierte Heinecke in ihrem rund einstündigen Plädoyer sachlich und analytisch. Die von vielen Prozeßbeobachtern erwartete Abrechnung mit der deutschen Asylpolitik blieb aus. Gleichwohl mußte die Staatsanwalt einige Seitenhiebe einstecken. "Unlauter und rechtswidrig" seien deren Ermittlungsmethoden gewesen. Axel Bieler und sein Kollege Michael Böckenhauer hätten alles getan, um ihrem Mandanten das Leben in Deutschland "unmöglich" zu machen.
Auch der von der Staatsanwaltschaft geforderte Freispruch "zweiter Klasse" fand nicht die Zustimmung der Hamburger Anwältin. "Im Urteil muß sich wiederfinden, daß Safwan Eid nicht Verursacher, sondern Opfer des Brandes ist", sagte sie.
Den Zeugen Jens L., der von Eid die Worte "wir warn's" gehört haben will und damit die Ermittlungen gegen den Libanesen in Gang gebracht hatte, nannte Heinecke eine "schillernde Figur". Seine Motive, sich erst Tage nach dem Brand bei der Polizei zu melden, seien "nicht nachvollziehbar". So fehle bis heute ein Vermerk über L.s ersten Anruf bei der Polizei, in der er von dem angeblichen Geständnis Eids berichtet habe.
Als Schlüssel zur Aufklärung des Brandes sieht Heinecke den ungeklärten Tod des Hausbewohners Sylvio Ammoussu. Dessen verkohlte Leiche war im Vorbau gefunden worden - ohne Kohlenmonoxyd in der Lunge.
Die These des Gerichts, daß Ammoussu auch als Täter in
Betracht komme, teile sie nicht. Stattdessen spreche einiges
dafür, daß sein Tod "nicht mittelbar" durch das Feuer
verursacht worden sei - eine Anspielung auf einen möglichen Mord
an dem Asylbewerber, begangen durch den oder die noch unbekannten
Täter.
KAI-UWE DREWS