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Erklärung
8. Mai 1997

 

Lübeck

1. Im August 1996 veröffentlichte die Internationale Unabhängige Kommission zur Untersuchung des Brandes am 18. Januar 1996 in der Hafenstraße 52 in Lübeck einen Zwischenbericht. Das Verfahren gegen Safwan Eid hatte noch nicht begonnen. Jetzt dauert es seit dem 16. September 1996 an und nähert sich dem Ende. Bevor das Gericht zu seinem Urteil kommt, halten wir es für angebracht, uns weiter zum Verlauf des Verfahrens äußern. Jedoch müssen wir betonen - wie wir es in der ganzen Zeit der Befassung mit dieser Sache gehalten haben - daß wir nicht beanspruchen, in irgendeiner Weise in das gesetzliche Verfahren einzugreifen. Noch geben wir irgendeine Sicht vor, zu der das Gericht bei seinem Urteil kommen sollte. Wir suchen nur, beim Finden einer gerechten Entscheidung zu helfen. Dabei haben wir zur Kenntnis genommen, daß das Gericht am 23. April Ausführungen gemacht hat, die erkennen lassen, daß der Fall gegen Safwan Eid nicht zu seiner Zufriedenheit ausgearbeitet war. Unsere Äußerung ist lediglich die Stellungnahme einer Gruppe erfahrener Anwälte, die gewöhnlich bei Gerichtsbarkeiten anderer europäischer Länder tätig sind.

2. Die Sorgen in unserem Zwischenbericht bezogen sich auf folgenden Punkte:

a. Die Sicherung der Verfügbarkeit der Opfer für die Zeugenaussage und die Sicherung der Beweise.
b. Die Unzuverlässigkeit von Geständnissen im allgemeinen wie im konkreten Fall.
c. Die Abhörmaßnahmen.
d. Das Versäumnis, in angemessener Weise die Beweise zu untersuchen, die andere Verdächtige belasten.

3. Diese Sorgen sind im Verlauf des Verfahrens gewachsen, obwohl wir zu unserer Zufriedenheit feststellen, daß der Punkt c. - die Abhörmaßnahmen - nicht mehr aktuell ist, weil das Gericht diesen Beweis nicht zugelassen hat.

4. Bezüglich der Verfügbarkeit der Zeugen und Beweise sind wir erfreut, daß die Zeugen, denen vor dem Verfahren die Abschiebung drohte, nicht abgeschoben worden sind. Wir bedauern aber, daß unsere Empfehlung, dem abgeschobenen Victor A. eine Wiedereinreise zu gewähren, nicht befolgt werden konnte, da die nigerianische Botschaft nicht in der Lage war, ihn ausfindig zu machen.

Es ist mit fortschreitendem Verfahren offensichtlich geworden, daß es ernste Mängel des Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein bei der Sicherung des Brandhauses und der Beweise gegeben hat. Die Verteidigung hat hierauf in einer Reihe Erklärungen während des Verfahrens hingewiesen. Wir wissen aus eigener Kenntnis des Falles, daß diese Behauptungen eine ernsthafte Untersuchung verdienen.

5. Bezüglich des Geständnisses sind wir beunruhigt darüber, welches Gewicht die Staatsanwaltschaft von Anfang an dem angeblich von Safwan Eid gegenüber Jens Leonhardt gemachten Geständnis beigemessen hat. Es hat sich gezeigt, daß Herr Leonhardt verschiedene Versionen des angeblichen Geständnisses in seinen Erklärungen bei der Polizei, gegenüber Zeugen und in seiner Aussage vor Gericht abgegeben hat. Die Staatsanwaltschaft scheint die Strafverfolgung auf der Basis des behaupteten Geständnisses lanciert zu haben, obwohl wesentliche Einzelheiten darin durch die bereits einen Tag zuvor gemachte Aussage des Gustave Soussou in Widerspruch geraten waren. Obwohl Leonhardt in seinen Aussagen nicht behauptet hatte, in dem Geständnis sei der 1. Stock als Brandausbruchsort erwähnt worden, wurde dies von dem Haftrichter - wohl aufgrund der Presseberichterstattung - vorausgesetzt und die Staatsanwaltschaft hat diese falsche Annahme nicht korrigiert. Während die Staatsanwaltschaft die ganze Zeit an der Behauptung festgehalten hat, der Brand habe im 1. Stock angefangen, haben Sachverständigengutachten der Anklage und der Verteidigung gezeigt, daß das Feuer genauso im Erdgeschoß ausgebrochen sein könnte.

6. Die Entlassung der zunächst Verdächtigten und das Zurückweisen belastender Beweise, die offensichtlich viel stärker sind als die gegen Safwan Eid, ist sehr beunruhigend. Wir sind insbesondere besorgt, da im Verfahren der medizinische Beweis gegeben wurde, daß die Verletzungen an Safwan Eids Ohren nicht damit vereinbar sind, ein Feuer gelegt zu haben, während bei den ursprünglich Verdächtigten genau die Haarversengungen festgestellt wurden, die bei den wahren Tätern zu erwarten wären. Außerdem hat das Verfahren den Beweis geliefert, daß es erhebliche Zweifel an der Stichhaltigkeit der Begründung für die Freilassung der ursprünglich Verdächtigten gibt: daß sie den Brandort nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit hätten erreichen können.

7. Angesichts der Tatsache, daß das angebliche Geständnis in keiner Weise bestätigt wurde, es vielmehr mit vielen anderen zwingenden Beweisen unvereinbar ist und angesichts den letzten Ausführungen des Gerichts, halten wir es für schwer nachvollziehbar, warum die Staatsanwaltschaft diesen Fall noch immer verfolgt. Es ist uns nicht nur schwer verständlich, warum das Verfahren gegen die ursprünglich Verdächtigten aus Grevesmühlen kurz nach ihrer Festnahme fallengelassen wurde, sondern auch, warum die Untersuchungen gegen diese Verdächtigten nicht wieder aufgenommen wurden, als neue Tatsachen den Verdacht gegen sie erhärteten.

Internationale Unabhängige Kommission
Mai 1997


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