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Nachrichten aus Deutschland und der Welt vom 10. September 1996
Lübeck (AP) Eine Woche vor Beginn des Prozesses gegen den Libanesen Safwan Eid hat die Internationale Unbhängige Kommission in einem gestern vorgelegten Zwischenbericht ihre Kritik am Ermittlungsergebnis der Lübecker Staatsanwaltschaft erneuert.
Eid ist wegen besonders schwerer Brandstiftung und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Er wird verdächtigt, am 18. Januar den Brand in dem Flüchtlingsheim in der Lübecker Hafenstraße gelegt zu haben, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen und 38 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden.
In dem 32seitigen Zwischenbericht äußern die Mitglieder der Kommission, die sich auf Initiative der Verteidigung Ende April gegründet hat, Zweifel an dem Ermittlungsergebnis der Anklagebehörde: "Insbesondere sind wir darüber besorgt, daß die Strafverfolgungsbehörde ihre Untersuchung auf die Behauptungen konzentriert, die gegen Safwan E. gerichtet sind, daß sie dies - wie es den Anschein hat - davon ablenkt, andere Untersuchungsstränge zu verfolgen, die die Ursache des Feuers und die dafür veranwortlichen Personen aufdecken könnten."
Die Kommissionsmitglieder, darunter die Journalistin Beate Klarsfeld, listen in ihrem Bericht eine Vielzahl von unaufgeklärten Widersprüchen auf. Laut Kommission bleibt für die Anklage der Staatsanwaltschaft nur noch Safwan Eids angebliches Geständnis gegenüber einem Rettungssanitäter. Allein aufgrund dieser Aussage dürfe in einem demokratischen Regeln verpflichteten Strafprozeß nicht verurteilt werden. Die Kommission zieht aufgrund der ihr vorliegenden Angaben, wie Zeugenaussagen, Anklageschrift, Gutachten, Video-Aufnahmen den Schluß, daß die Staatsanwaltschaft bisher weder beweisen könne, daß der Brand im ersten Obergeschoß durch Benzin oder anderes Brandbeschleunigermittel verursacht worden sei, noch daß dort überhaupt der Brandherd liege. Auch seien Brandausbruchszeit und Feuerverlauf aufgrund der Ermittlungsergebnisse derart unbestimmt, daß die vier zunächst festgenommenen Tatverdächtigen aus Grevesmühlen, die der rechtsradikalen Szene zugerechnet werden, trotz ihres vermeintlichen Alibis nicht als entlastet gelten könnten. Außerdem sieht die Kommission eine Gefährdung der Wahrheitsfindung während des Prozesses durch die bereits erfolgte Abschiebung eines Zeugen.
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