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Nachrichten aus Deutschland und der Welt vom 17. April 1997
Lübeck Selbst am 52. Verhandlungstag im Prozeß um das Feuer in einem Lübecker Asylbewerberheim, bei dem in der Nacht zum 18. Januar 1996 zehn Menschen starben, sind noch überraschungen möglich. Die Verteidigung präsentierte einen weiteren Brandsachverständigen, den englischen Naturwissenschaftler Rodger Ide (54), der detailliert erläuterte, wo seiner Meinung nach das Feuer entstanden sein könne.
Seiner Auffassung nach wurde keine, zumindest aber nur ganz wenig brennbare Flüssigkeit zur Brandlegung verwendet. "Es gab keine Explosion im Gebäude", zog er sein Resümee aus seinen Aufzeichnungen. Auch schloß er aus, daß als alleiniger Ort einer Brandlegung der Flur der ersten Etage (davon geht nach wie vor die Staatsanwaltschaft aus) in Frage komme. Dann, so Ide, hätte eine große Menge Benzin verwendet sein müssen. "Wenn es tatsächlich nur einen Brandherd gab, dann war er im hölzernen Vorbau." Auch Ide sprach vom "Kamineffekt": über die Treppe zum ersten Stock seien heiße Gase sehr schnell nach oben gedrungen, daher habe es zunächst oben stärker gebrannt als unten.
Bei seinen Untersuchungen ließ er auch das Nachtgewand des angeklagten Libanesen Safwan E. nicht aus - es hätte Schmelzspuren aufweisen müssen, wäre mit Benzin hantiert worden.
Manfred Rüscher