TAZ Nr. 5159 vom 20.02.1997 Seite 4 Inland 57 Zeilen
Lübeck/Berlin (dpa/taz) - Die Anklage im Lübecker
Brandprozeß gegen Safwan Eid scheint endgültig jede Substanz
verloren zu haben. Gestern wurde bekannt, daß die Protokolle
abgehörter Gespräche Safwan Eids voraussichtlich nicht als
Beweismittel im Verfahren verwendet werden dürfen.
Rolf Wilcken, Vorsitzender Richter der Lübecker
Jugendstrafkammer, erklärte, seine Kammer habe Bedenken über
die Zulässigkeit der Beweismittel. Während Eids sechsmonatiger
Untersuchungshaft waren mit richterlicher Genehmigung Gespräche
abgehört worden, die er mit Angehörigen in der Lübecker
Justizvollzugsanstalt geführt hatte. Dabei soll Eid so
gesprochen haben, als habe er den Brand gelegt. Sein Bruder soll
darüber hinaus gesagt haben, alle Hausbewohner seien unter
Kuratel gebracht worden. Safwan Eid berief sich später darauf,
daß seine Äußerungen sinnwidrig übersetzt worden seien. Eid
muß sich seit fünf Monaten vor Gericht verantworten. Die
Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, das Feuer in einem Lübecker
Asylbewerberheim gelegt zu haben, bei dem am 18.1. 96 zehn
Menschen getötet wurden. Die Staatsanwaltschaft sah gerade durch
die Abhörprotokolle eine entscheidende Mitwirkung des
Angeklagten an der Feuerkatastrophe als bewiesen an.
Weiter geklärt wurde gestern am 40. Verhandlungstag die Frage,
wo der Brand ausgebrochen sein könnte. Ein Sachverständiger
für Elektroanlagen hatte am Montag gesagt, die Schäden an den
Elektroleitungen sprächen dafür, daß das Feuer im ersten Stock
ausgebrochen sei - ein Hinweis darauf, daß das Feuer von einem
Bewohner des Flüchtlingsheims gelegt worden sein könnte. Die
Verteidigerinnen Gabriele Heinecke und Barbara Klawitter meinen
im Gegenteil, daß das Feuer im Vorbau des Hauses begann und
somit eine Brandstiftung von außen stattgefunden haben müsse.
JaF