Brandkatastrophe: Verdächtige wieder frei
Von DIETHART GOOS
Lübeck - Bei der Aufklärung des verheerenden Brandes im Lübecker Asylbewerberheim hat die Polizei bislang noch keine heiße Spur. Vier junge Männer aus Mecklenburg, die wegen anfänglichen Tatverdachts am Donnerstag vorläufig festgenommen worden waren, kamen am Freitag wieder auf freien Fuß. Sie stehen offenbar im Zusammenhang mit Kfz-Diebstahl, haben aber mit dem Feuer nichts zu tun, wie der Lübecker Staatsanwalt Schulz mitteilte.Die Brandkatastrophe hat bisher zehn Tote gefordert. Neun Personen waren in den Flammen umgekommen, unter ihnen drei Kinder. Ein sechsjähriges Mädchen starb am Donnerstag abend in der Lübecker Universitätsklinik an seinen schweren Kopfverletzungen, die es beim Sprung aus dem Obergeschoß des brennenden Hauses erlitten hatte. Bei dem Sprung war die Mutter des Kindes umgekommen. In der Universitätsklinik befinden sich noch 35 Bewohner des Hauses, sechs sind mit schweren Verletzungen weiterhin in Lebensgefahr.
Der Lübecker Polizeichef Winfred Tabarelli erklärte am Freitag nachmittag, vier Hausbewohner würden noch vermißt. Er unterstrich, daß die Polizei bei den Ermittlungen nicht von einem Brandanschlag rede. Gewalteinwirkung von außen sei aber ebensowenig auszuschließen wie vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung durch Bewohner sowie möglicherweise ein Unglücksfall. Das Feuer sei offenbar im ersten Stock des Gebäudes ausgebrochen. "Es gibt Hinweise, daß sich die Brandausbruchsstelle hier befindet", sagte Tabarelli. Zum Zeitpunkt des Brandausbruchs befanden sich etwa 60 Personen in dem Heim. 47 waren offiziell gemeldet.
Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Simonis und der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland Bubis besichtigten die Brandruine. Sie sprachen anschließend im Lübecker Rathaus über wirkungsvolle Maßnahmen gegen Fremdenhaß. Die Lübecker Synagoge war 1994 und 1995 Ziel von zwei Brandanschlägen.
Copyright: DIE WELT, 20.1.1996
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