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Fri Sep  4 00:22:43 1998
 


Lübeck: Staatsanwaltschaft weist Gutachten zurück

Ermittlungen über Brandkatastrophe vor Abschluß - Experte Achilles: Anschlag mit Molotowcocktail von außen verübt

Von DIETHART GOOS
Lübeck - Die Staatsanwaltschaft der Hansestadt Lübeck ist zuversichtlich, ihre Ermittlungen über den verheerenden Brand im Asylantenheim Hafenstraße vom Januar dieses Jahres in Kürze abschließen zu können. Einem Gutachten, das den inhaftierten 21jährigen Libanesen Safwan Eid als bisher mutmaßlichen Brandstifter entlasten soll, mißt die Lübecker Staatsanwaltschaft nach Informationen der WELT keine Beweiskraft zu.

Die Ausarbeitung des Brandexperten Professor Ernst Achilles widerspricht den bisherigen Ermittlungen. So geht die Staatsanwaltschaft davon aus, daß der 21jährige Libanese das Feuer in der Nacht zum 18. Januar im Flur der ersten Etage des Wohnheims legte. Eid lebte dort mit seinen Eltern und sechs Geschwistern. Als Motiv für die Brandstiftung, der vier Erwachsene und sechs Kinder zum Opfer fielen, nennt die Staatsanwaltschaft einen Racheakt nach wiederholten Streitigkeiten unter den Heimbewohnern.

Aus der Staatsanwaltschaft verlautete, Professsor Achilles, der frühere Chef der Frankfurter Feuerwehren, habe im Auftrag der Verteidigung nach Aktenlage eine "brandschutztechnische Vorab-Stellungnahme" erarbeitet. Sie enthalte keine Fakten, die gegen die Erkenntnisse der Brandsachverständigen des Kieler Landeskriminalamtes sowie zusätzlicher Experten des Wiesbadener Bundeskriminalamtes sprächen. Nach einer Besichtigung des völlig ausgebrannten Asylantenwohnheims vor Ostern habe Achilles eine weitere schriftliche Stellungnahme angekündigt.

Achilles kommt nach eigener Aussage zum Ergebnis, das Feuer sei entgegen der staatsanwaltschaftlichen Annahme im Erdgeschoß mittels Brandbeschleuniger gelegt worden. Der Sachverständige hält es für erwiesen, daß Brandstifter von außen durch ein Fenster in das Gebäude eindrangen, Feuer legten und sich dann wieder entfernten. Dieser Annahme widerspricht die Staatsanwaltschaft. Das seien Spekulationen von Professor Achilles, die nicht durch Fakten belegt worden seien.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist das Feuer im Obergeschoß entstanden und hatte sich von dort aus nach unten in das Erdgeschoß ausgebreitet. Das zeige der Abbrand eindeutig, hieß es gegenüber der WELT. Unten sei der Feuerschaden viel geringer als oben. Keine Hinweise gebe es auf die von Achilles vermutete Verwendung eines Molotowcocktails. Alle Brandreste seien peinlich genau durchsiebt worden. Bei der Suche habe man keine Glassplitter gefunden, die auf eine Brandflasche hindeuteten.

Gegen die vom Haftrichter verweigerte Freilassung des Libanesen hat Verteidiger Hans-Jürgen Wolter Beschwerde eingelegt. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, daß der Haftbefehl bei der anstehenden Entscheidung über diese Beschwerde bestätigt wird. Dann soll zügig Anklage erhoben werden.

Copyright: DIE WELT, 9.4.1996

 


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