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Lübeck: Prozeß fraglich

Bürgermeister Bouteiller fordert endgültige Aufklärung des Brandes

ub/dpa Lübeck - Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller (SPD) hat gestern nach der Entlassung des beschuldigten Libanesen Safwan Eid dazu aufgefordert, alles zu tun, um den "Verursachungszusammenhang für die Brandkatastrophe in der Stadt offenzulegen und die Täter zu finden. Die Stadt Lübeck will wissen, wer es war", sagte der Bürgermeister. Er warnte zugleich davor, die Entwicklung zum Anlaß zu nehmen, "neue Spekulationen loszutreten".

Die endgültige Aufklärung des Feuers, bei dem zehn Menschen starben und 38 verletzt wurden, ist nach den Worten Bouteillers vor allem auch im "Stadtinteresse" Lübecks. Zudem hoffe er, daß die Lage der Betroffenen wieder ins Blickfeld gerückt werde. "Was ist mit den Opfern? Wie läßt sich die Lage der Flüchtlinge in Deutschland verbessern?" Dies seien nach wie vor wichtige Fragen.

Nach der vom Lübecker Landgericht ohne Auflagen angeordneten Entlassung des 20jährigen Libanesen Eid aus der Untersuchungshaft stellt sich unterdessen die Frage, ob es zur Hauptverhandlung gegen den Beschuldigten wegen der Brandkatastrophe vom 18. Januar kommt. Die Jugendstrafkammer des Landgerichts hatte in einem Haftprüfungstermin den dringenden Tatverdacht gegen Eid nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen verneint und den Haftbefehl nicht nur außer Vollzug gesetzt, sondern aufgehoben. Dieser Beschluß steht im Gegensatz zu den Haftentscheidungen von zwei Haftrichtern und der Beschwerdekammer des Gerichts.

Safwan Eid steht nunmehr statt unter dringendem nur noch unter hinreichendem Tatverdacht. Auch auf dieser Grundlage könnte die Jugendstrafkammer die Eröffnung der Hauptverhandlung gegen ihn beschließen. Sollte jedoch auch der hinreichende Tatverdacht nicht mehr bestehen, so würde ein Strafprozeß gegen ihn entfallen. Die Staatsanwaltschaft würde dann auch die am 29. Mai erhobene Anklage wegen besonders schwerer Brandstiftung und fahrlässiger Körperverletzung zurückziehen müssen. Den ursprünglich erhobenen Mordvorwurf hatte die Strafverfolgungsbehörde bereits fallengelassen, weil die Beweislage sich für diese Beschuldigung als zu dürftig erwiesen hatte. Zweifel an der Schuld des Libanesen waren unter anderem deshalb entstanden, weil an seiner Kleidung keinerlei Spuren brennbarer Flüssigkeit nachgewiesen werden konnten.

Bislang hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen Eid vor allem auf Aussagen eines Rettungssanitäters gestützt, dem der junge Libanese in der Nacht der Brandkatastrophe vom 18. Januar gesagt haben soll: "Wir waren es." Darüber hinaus soll Safwan Eid Details geäußert haben, die nur der Täter wissen konnte.

Die Berliner Tageszeitung "Junge Welt" hat unterdessen auf die mögliche Verstrickung Rechtsradikaler in den Anschlag hingewiesen. Der Sanitäter, dem Eid ein Geständnis abgelegt haben soll, hat danach offenbar Kontakte zu einem Rechtsradikalen.

Copyright: DIE WELT, 4.7.1996 


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