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Sanitäter: Rache war Motiv für Brandanschlag

Kronzeuge im Lübecker Prozeß gegen Safwan Eid bekräftigt Aussage

Von DIETHART GOOS
Lübeck - Der 26jährige Rettungssanitäter Jens L. hat bei seiner gestrigen, mehr als vierstündigen Aussage als Kronzeuge im Prozeß um die Brandkatastrophe in einem Lübecker Asylbewerberheim den Angeklagten Safwan Eid schwer belastet. Eid wird verdächtigt, das Flüchtlingsheim in Lübeck angezündet und damit den Tod von zehn Menschen verursacht zu haben. 38 weitere wurden bei dem Feuer zum Teil schwer verletzt. Auf wiederholte Fragen des Vorsitzenden Richters, der Staatsanwälte und der Verteidigerinnen schilderte L., wie ihm der beim Brand verletzte Eid während des Transports in das Priwall-Krankenhaus gesagt habe: "Wir warens." Eid hatte das bei seiner Vernehmung am Mittwoch vergangener Woche entschieden bestritten.

Jens L., der am Ende der Verhandlung vereidigt wurde, ließ ohne Zeichen von Ermüdung die lange Befragung über sich ergehen. Er berichtete dem Gericht, wie er als ausgebildeter, aber ehrenamtlicher Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuzes am 18. Januar um 4.22 Uhr per City-Ruf von seiner Einsatzzentrale geweckt worden war. Vor dem brennenden Gebäude in der Lübecker Hafenstraße sammelte L. die leichtverletzten Bewohner in einem Bus der Stadtwerke, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Im Bus sei ihm ein junger Mann mit rußgeschwärzten Gesicht, T-Shirt und einer Wickelhose, wie er sie beim Urlaub in Tunesien gesehen hatte, aufgefallen. Der Mann habe auf der letzten Bank nahezu regungslos und vornübergebeugt gesessen.

Als L. den Mann fragte, ob alles in Ordnung sei, und seine verbrannten Ohren behandeln wollte, habe dieser unvermittelt gesagt: "Wir waren's." Er habe daraufhin geantwortet: "Hör mal zu, so etwas kann man nicht einfach sagen, das kann Kopf und Kragen kosten." Darauf habe der Ausländer entgegnet: "Es gab Streit mit einem Hausbewohner oder Familienvater." Man habe sich rächen wollen, Benzin oder eine andere brennbare Flüssigkeit an die Tür gekippt und angesteckt. Sie sei die Treppen runtergelaufen und habe die ganze Treppe angezündet. Der Angeklagte Safwan Eid hatte vergangene Woche ausgesagt, er kenne die Worte "rächen" oder "Rache" im Deutschen gar nicht. Erst einen Tag später, so Jens L., habe er sein Wissen der Lübecker Polizei mitgeteilt, weil er sich zunächst an seine Schweigepflicht als Rettungssanitäter gebunden fühlte.

Um den Kern der Aussage des Rettungssanitäters drehte sich dessen weitere Vernehmung. Immer wieder hielten ihm die Verteidigerinnen Gabriele Heinecke und Barbara Klawitta seine frühere Aussagen vor, die teilweise präziser als seine gestrige Darstellung war. L. entgegnete, er könnne sich jetzt nicht mehr genau erinnern.

Unklar blieb während der Vernehmung, in welchem Umfang L. mit Freunden das nicht ungefährliche "Paint Ball"- oder "Gotcha"-Spiel, das bei rechtsextremen Wehrsportgruppen populär ist, ausübte.

Copyright: DIE WELT, 24.9.1996 


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