nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Fri Sep  4 00:22:59 1998
 


Lübecker Prozeß abgebrochen

Tumulte im Gerichtssaal - Streit zwischen Flüchtlingsfamilien

DW Lübeck - Der vierte Verhandlungstag im Prozeß um die Brandkatastrophe in einer Lübecker Flüchtlingsunterkunft ist gestern nach Tumulten abgebrochen und vertagt worden. Zuvor hatte die Jugendstrafkammer des Landgerichts einen Antrag der Verteidigung des angeklagten Libanesen Safwan Eid abgelehnt, die Beweisaufnahme zu schließen und ihren Mandanten freizusprechen.

Die Rechtsanwältin Gabriele Heinecke begründete ihren Antrag mit der aus ihrer Sicht mangelnden Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen der Staatsanwaltschaft. Demgegenüber erklärte die Staatsanwaltschaft, es sei nicht einmal in Ansätzen beweisbar, daß Zeuge Jens L. die Unwahrheit sage. Der Sanitäter L. hatte am Montag ausgesagt, der Angeklagte Safwan Eid habe ihm gegenüber die Tat gestanden.

Nach dem Beschluß, mit der Verhandlung fortzufahren, wurde Rettungssanitäter Matthias H. - ein Freund des Hauptbelastungszeugen Jens L. - zur Aussage aufgerufen. Während seiner Ausführungen brach plötzlich der frühere Bewohner des Unglückshauses Jean-Daniel Makodila, der bei dem Feuer seine Frau und fünf Kinder verloren hatte, mit einem Aufschrei zusammen. Er wurde mit einer Kreislaufschwäche in ein Krankenhaus gebracht.

Kurz darauf kam es zu einem Streit zwischen der Familie des Angeklagten und der libanesischen Familie El Omari, die ebenfalls in der Flüchtlingsunterkunft gewohnt hatte und in dem Prozeß als Nebenkläger auftritt, da ein 17jähriger Angehöriger in dem Feuer in der Nacht zum 18. Januar ums Leben gekommen war. Der Anwalt der Nebenkläger erklärte für seine Mandanten, die Familie El Omari sei von der Familie Eid bedroht und als "Hunde" beschimpft worden. Er bat um Schutz für Makodila und für die Familie El Omari. Die Darstellung der Verteidigung von Safwan Eid, Vater Eid sei zuvor von einem der Söhne El Omari bespuckt worden, wies der Anwalt zurück. Richter Wilcken sagte, er würde solche Auseinandersetzungen nicht dulden und künftig jeden Störer, egal welcher Rasse und Nationalität, des Saales verweisen.

Rechtsanwalt Ulrich Haage, Vertreter des Nebenklägers Vusumuca Joao Bunga, beantragte unterdessen, den Brandschutzexperten Ernst Achilles als offiziell vom Gericht bestellten Gutachter abzulösen. Er sieht ihn als befangen an, weil Achilles zunächst als von der Verteidigung beauftragter Gutachter gearbeitet hatte. Der Prozeß wird am kommenden Montag fortgesetzt.

Copyright: DIE WELT, 26.9.1996


[Lübeck - Hauptseite | Presse | Was gibt's Neues | Inhalt | Feedback ]