Im Lübecker Prozeß ändern Zeugen Aussage
Junge Männer im Wartburg erneut belastet
Von DIETHART GOOS
Lübeck - Im Prozeß um die Brandkatastrophe vom 18. Januar dieses Jahres im Lübecker Asylantenwohnheim Hafenstraße mit zehn Toten und 38 teilweise Schwerverletzten machten am Mittwoch Zeugen erstmals Aussagen über eine Gruppe von Jugendlichen aus dem mecklenburgischen Grevesmühlen. Bereits in der Brandnacht waren die jungen Männer als mögliche Brandstifter festgenommen worden. Wegen eindeutiger Alibis wurden sie bereits nach wenigen Stunden wieder freigelassen.Am sechsten Verhandlungstag gaben zwei Arbeiter aus einer dem Ausländerwohnheim benachbarten Fabrik für Cornflakes aufsehenerregende Darstellungen. Als sie gegen 3.30 Uhr während ihrer Nachtschicht durch Hilferufe von Bewohnern des brennenden Nachbarhauses alarmiert wurden, hätten sie drei Männer mit einem beigefarbenen ostdeutschen Pkw der Marke Wartburg vor dem Haus stehen sehen. Das Auto habe sich auf den Gleisen der Lübecker Hafenbahn befunden, die am Brandhaus vorbeiführt.
Diese Aussage hat Bedeutung, weil die Zeugen bei der früheren polizeilichen Vernehmung einen um zehn Minuten späteren Zeitpunkt für ihre Wahrnehmungen genannt hatten. Nach bisherigen Ermittlungen ist der Wartburg mit den jungen Männern aus Grevesmühlen um 3.30 Uhr von der Polizei an einer Tankstelle kontrolliert worden, die von dem Heim in der Hafenstraße sechs Kilometer entfernt ist. Dasselbe Fahrzeug mit seinen Insassen war der Polizei später am Brandort aufgefallen, als das Gebäude bereits brannte.
Die vor dem letzten Verhandlungstag vernommenen Augenzeugen der Brandkatastrophe hatten dem Gericht keine Hinweise auf den Wartburg gegeben. Das galt auch für einen Lokführer, der beim Rangieren mehrmals in der fraglichen Zeit das Asylantenheim passiert hatte. Nach seiner Darstellung war während seiner Rangierfahrten kein Auto auf den Schienen abgestellt.
Angeklagt der schweren Brandstiftung ist der Libanese Safwan Eid, der mit seiner Familie im Heim Hafenstraße wohnte. Er soll das Haus aus Rache gegenüber Mitbewohnern angezündet haben, was Eid bestreitet. Seine Verteidigerinnen werfen der Staatsanwaltschaft vor, dem auf die jungen Männer aus Grevesmühlen weisenden Verdacht nur unzureichend nachgegangen zu sein. Bei ihnen käme als Motiv Fremdenfeindlichkeit in Betracht, da sie Verbindung zu rechtsgerichteten Kreisen unterhalten haben sollen.
Copyright: DIE WELT, 4.10.1996
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